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KLISCHEEHAFTE UMGANGSFORMEN -- Betreff: "Status Quo" von Maja Zade im Kronenzentrum Bietigheim

am 29.1.2025

Das ungleiche Verhältnis zwischen Frauen und Männern wird hier grell beleuchtet. In der Inszenierung von Evelyn Nagel treten verschiedene Personenkonstellationen in origineller Weise in den Mittelpunkt. Da spielt Martin Behlert virtuos Florian im Maklerbüro, Alexander als Freund der Intendantin Bettina sowie Ralf als Mitglied im Freundeskreis. Es sind harte Zeiten für Männer, die hier gnadenlos und doch humorvoll aufs Korn genommen werden.

Copyright: Sonja Ramm

Der immer wieder neu erscheinende Florian wird dabei zum Objekt der Begierde und Diskriminierung. Klischeehafte Umgangsformen werden dabei immer wieder auf die Spitze getrieben. Das geschieht in einer rasanten Nummernrevue in 29 Szenen. In dieser merkwürdigen Kampfarena entsteht ein amüsantes Abbild unserer Gegenwart. Die realen Voraussetzungen werden plötzlich auf den Kopf gestellt. Da gibt es dann aber auch manchmal Theater mit politischem Anspruch: "Er ist mit dem Job verheiratet..." Thilo Langer mimt den zweiten Florian im Drogeriemarkt, aber auch Manni als Sekretär im Maklerbüro sowie den Schauspieler Christian.  Hier wird ebenfalls deutlich, dass alle Frauen mehr als Männer verdienen.

Die ultimative Frage "Wie kommen Sie mit meiner Frau klar?" steht wiederholt im Raum. Lukas Maria Redemann mimt den dritten Florian im Theater sowie den Kollegen Franz im Drogeriemarkt, Boris als Mann von Daniela und Wolfgang als Kunden des Maklerbüros. Dabei entdecken sie dann "das Super-Expressive, das trotzdem emotional geerdet ist". Bühne und Kostüme von Tilo Schwarz erinnern zuweilen an einen Zirkus. Die Männer tragen alle kurze Hosen und stehen hier in seltsamem Kontrast zum golden glitzernden Vorhang, hinter dem sich immer wieder recht absurde Dinge abspielen. Madeline Hartig spielt die immer etwas exaltierte Intendantin Bettina, die aber auch als umtriebige Maklerin Isa sowie als Julia und Frau von Florian im Maklerbüro fungiert. Die Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit lässt allerdings auf sich warten. Auch Cornelia Heilmann hat als  Daniela (Leiterin eines Drogeriemarkts), Dramaturgin Beate und Claudia (Leiterin eines anderen Drogeriemarkts) alle Hände voll zu tun.

Es ist eine verkehrte Welt, in der der Zuschauer sich hier befindet. Nicole Janze überzeugt als Sabine (Chefin des Maklerbüros), Eva (Kundin des Maklerbüros) und Antonia (Freundin von Florian im Supermarkt) mit starkem Temperament. So entsteht zwischen den Männern zwar kein "Ziegenbock-Krieg", aber die Arbeits- und Beziehungsgespräche spitzen sich trotzdem immer mehr zu. Alles wird ad absurdum  geführt. Selbst das Bekenntnis "Vater-Sein ist das Schönste auf der Welt!" erscheint plötzlich in ganz neuem Licht. Im Maklerbüro wechselt sich die Laufkundschaft in atemloser Weise ab. Das Ehepaar trennt sich, weil es mit dem Sex nicht klappt: "Ohne Sex können wir kein Kind kriegen!" Der Schauspieler Christian hat schließlich gekündigt, weil er Eurythmie-Waldorflehrer werden möchte. Und im Maklerbüro lässt die nächste Krise nicht lange auf sich warten: "Sie hat mich angefasst!"

Maja Zade zeigt in ironischer Weise eine Welt, die die unsere sein könnte - wenn Frauen die Chefinnen wären und Männer sich um Kinder und Haushalt kümmern würden. So eskaliert der Kampf um Provisionen und um scheinbar gleichberechtigte Kunst im Theater immer weiter. Eine vernünftige Lösung ist nicht in Sicht: "Du willst, dass die Leute deinen Schwanz sehen!" Und auch die Massage im Drogeriemarkt ist für Florian eigentlich keine Lösung: "Sie werden ja ganz rot, Sie kleiner Mäuserich!" Zuletzt stellen sich alle drei Florian-Darsteller dem Publikum fast schon melancholisch noch einmal vor.  

Das Stück hat zwar dramaturgische Schwächen, vermag aber aufgrund der witzigen Dialoge dennoch zu überzeugen. Maja Zade, die als Dramaturgin an der Berliner Schaubühne arbeitet, bezieht sich hier auch auf den Anthropologen und Psychoanalytiker Geza Roheim, der darauf hingewiesen hat, dass man die Wahrscheinlichkeit einer Aussage überprüfen kann, indem man sie umdreht und sich dann die Frage stellt, ob diese Aussage noch sinnvoll erscheint.
 

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