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PAARE, LIEBE IST EINE SCHWERE GEISTESKRANKHEIT von JOHANN BUCHHOLZ im THEATER BIELEFELDPAARE, LIEBE IST EINE SCHWERE GEISTESKRANKHEIT von JOHANN BUCHHOLZ im THEATER...PAARE, LIEBE IST EINE...

PAARE, LIEBE IST EINE SCHWERE GEISTESKRANKHEIT von JOHANN BUCHHOLZ im THEATER BIELEFELD

PREMIERE 02.06.2017, 20:00 Uhr, Theater am Alten Markt. -----

"Als ich vor Jahren den Keller meiner Berliner Mietwohnung ausräumte, fand ich einen Karton mit Unterlagen eines Therapeuten, der dort früher gelebt hatte. Auf einer Patientenakte stand: »Liebe ist eine schwere Geisteskrankheit«. Es war die Akte eines Paares. Wenn Filme oder Märchen mit der Hochzeit enden, denke ich: da beginnt das Dilemma doch erst! Die Therapie ist für mich die Konzentration dieser Verrücktheit."

Der Filmregisseur Johann Buchholz hat diese und weitere (fiktive) Akten zu szenischen Miniaturen verarbeitet. Zu sehen waren sie im Berlinale-Programm von Arte. Jetzt werden sie in Bielefeld auf der

Bühne uraufgeführt.

Die Liebe ist tatsächlich oft der Endpunkt von Erzählungen. Das Happyend unterschlägt, was danach kommt: Der Alltag unterzieht die Liebe dem Praxistest, die Eigenheiten der Beziehungspartner werden

sichtbar und aus Romeo und Julia werden Ernie und Bert. Trotz hoher Scheidungsraten ist die Sehnsucht nach einer funktionierenden Beziehung groß. Kolumnen und Ratgeber bedienen das ungebrochene

Bedürfnis nach Zweisamkeit und einer gemeinsamen Zukunft. Gerade hier in Bielefeld, in der Stadt mit der gefühlt höchsten Psychologendichte Deutschlands, ist es daher höchste Zeit, sich dem Thema der

Paartherapie zu widmen. Was ist dieses Band, das uns unter teils absurden Umständen aneinander fesselt?

In 18 Shortcuts breitet Johann Buchholz ein Panorama von Paarkonstellationen aus, das sich das Schauspiel des Theaters Bielefeld gleich in mehrfacher Hinsicht mit großer Spiellust zu eigen gemacht hat. Die Besonderheit dieser kleinen, in sich geschlossenen Episoden hat es möglich gemacht, einen Teil des Stücks bereits während der Spielzeit zu proben. Die Hälfte der Episoden wurde von einigen Gastregisseuren erarbeitet, während Intendant Michael Heicks die andere Hälfte der Szenen sowie die Inszenierung des Gesamtabends übernommen hat. Über die Freude an einer speziellen gemeinsamen

Arbeitsweise hinaus war es nur so überhaupt möglich, im laufenden Spielbetrieb ein Stück zu proben, bei dem 20 Schauspieler des Ensembles auf der Bühne stehen.

Die Grundsituation im von Michael Heicks entworfenen Bühnenbild (Kostüme: Franziska Gebhardt) rückt die Schauspieler nah ans Publikum im Theater am Alten Markt. Direkt an der Rampe, Auge in Auge mit dem Zuschauer, entspinnt sich ein Reigen schneller Beziehungsminiaturen, die Liebe als dauerhaften Irrsinn zeigen und als dringend therapiebedürftig! Speed Dating war gestern, jetzt wird Speed therapiert. Zwei (manchmal auch drei) Menschen, eine Couch, drei Minuten! Das Publikum schlüpft in die Rolle des Therapeuten und muss dabei vor allem eines können: zuhören. Mit atemberaubender

Geschwindigkeit jagen wir in das Herz der deutschen Gefühlsgegenwart. Immer auf der Suche nach der Formel für die funktionierende Beziehung. Der Zuschauer rückt in die Rolle eines Voyeurs, der in diesen hochverdichteten Beziehungsszenen, die auch den lustvollen Umgang mit Klischees nicht scheuen, aus nächster Nähe miterleben darf, wie schlimm es bei anderen läuft. Dass er sich selbst in den irrsinnigsten Wendungen stets wiedererkennt, liegt in der Natur der Sache, denn beim Beziehungsleid kann nun wirklich jeder mitreden.

Ob es der junge Zahnarzthelfer ist, der von Nachwuchs und »im Urlaub mit dem Tandem über den Deich fahren« träumt, während seine zwanzig Jahre ältere Freundin vor allem »geil essen, geil ficken und Party machen« möchte. Oder die biodeutsche Frau, die ihrem türkischstämmigen Ehemann ihre Brüder in die Kneipe hinterher schickt. Oder das Paar das gemeinsam im Kino weint; doch während er darin ein Zeichen von innerer Verbundenheit sieht, weint sie, »weil ich mit einem Mann zusammen bin, der Tränen vergießt, wenn zwei animierte Pinguine sich wiederfinden«. Die Zeiten, in denen unglückliche Dauersingles von einer Affäre in die nächste stolperten, sind vorbei – wir wollen zusammenbleiben!

Ob Affäre, Zweckgemeinschaft, lesbische Liebesheirat, die Hölle zu zweit oder der Traum zu dritt. Alles kommt auf den Prüfstand. Ob und wie die Paargemeinschaft die Therapie übersteht, zeigt dieser Abend.

Inszenierung

Michael Heicks und Henner

Kallmeyer, Mareike Mikat,

Christian Schlüter, Dariusch

Yazdkhasti

Bühne

Michael Heicks

Kostüme

Franziska Gebhardt

Dramaturgie

Dariusch Yazdkhasti

Mit

Oliver Baierl // Georg Böhm // Cédric Cavatore // Isabell Giebeler // Sebastian Graf // Lukas Graser // Laura Maria Hänsel // Anica Happich // Stefan Imholz // Nicole Lippold // Henriette Nagel // Doreen

Nixdorf // Nicole Paul // Carmen Priego // Jan Sabo // Karla Trippel //Guido Wachter // Jakob Walser // Thomas Wolff

Die nächsten Vorstellungen

06.05., 27.05., 09.06., 11.06.,

14.06., 21.06., 22.06., 04.07.,

06.07., 09.07.17;

Wiederaufnahme am 29.09.17

Karten

0521 / 51 54 54

www.theater-bielefeld.de

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