Die Geschichte des einfachen jüdischen Thoralehrers Mendel Singer erzählt von Fluchterfahrungen, der Suche nach einer neuen Identität und den Sinn des Lebens im Angesicht schwerer Schicksalsschläge. Sie beginnt vor dem ersten Weltkrieg im russischen Reich auf heutigem ukrainischem Gebiet: Mendels jüngster Sohn Menuchim kommt mit einer Behinderung auf die Welt, sein ältester Sohn wird vom russischen Militär einberufen, sein Zweitgeborener desertiert und wandert in die USA aus. Als die Familie ebenfalls in die USA emigriert, müssen sie den jüngsten – kranken – Sohn zurücklassen. In der neuen Heimat wird die Familie von weiteren Schicksalsschlägen getroffen, die Mendel Singer schließlich an seinem Glauben zweifeln lassen.
Der Autor Roth schrieb seinen Roman in einer außergewöhnlich bildhaften, fast märchenhaften Sprache. Stefan Zweig hat ihm nach dem Erscheinen 1930 attestiert: „Man erlebt statt zu lesen.“ Für Regisseurin Tanja Weidner war es eine Herzensangelegenheit, die Theaterfassung zu erstellen und das Stück im WBT auf die Bühne zu bringen: „Zurzeit erleben wir starke Veränderungen und beinah chaotische Zustände. Vieles wirkt nach der Pandemie und durch den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise fremd und führt gerade in der jungen Generation zu neuen Identitätssuchen. Wer will ich sein, in dieser neuen Welt?
Im Roman „Hiob“ wird dieses Gefühl der Fremdheit sehr klar durchleuchtet. Mendel Singer fühlt sich fremd in Amerika, aber auch fremd in sich und von seiner Familie entfremdet. Das behinderte Kind erscheint ihm sehr fremd, und nach und nach verliert er alles, was ihm vorher Sicherheit gegeben hat: sogar seinen Glauben.“ Diese Fremdheit bringen Tanja Weidner und Ausstatterin Annette Wolf auf ungewöhnliche Weise auf die Bühne des WBT: Der jüngste Sohn Menuchim wird als Figur zum Leben erweckt, die vom Ensemble abwechselnd geführt wird. Catharina Volbers und Yuanjia Teng vom Gymnasium Paulinum verleihen ihr mit ihrer Klarinette eine Stimme.
Durch Zufall lernte die Regisseurin in der Probenzeit einige Geflüchtete aus der Ukraine kennen und sah viele Parallelen zur Flucht der Familie Singer im Stück. Diese Fluchtgeschichten bindet Weidner in ihre Inszenierung ein. „Der Mensch ist ein narratives Wesen. Uns gegenseitig Geschichten zu erzählen, gibt uns die Möglichkeit der Identitätsbildung. Daher habe ich sechs Geflüchtete eingeladen, im Videointerview ihre Geschichte mit uns zu teilen. Das wiederum wirkte sich auch auf die Spielweise der Schauspieler aus, die viel purer und ehrlicher wurden angesichts der realen Geschichten. Das war eine spannende Entwicklung und hat uns einmal mehr gezeigt, wie relevant der Roman, aber auch Theater an sich heute ist und wieviel Hoffnung in beidem steckt.“
Karten für die Vorstellungen sind von montags bis freitags von 10-13 und 14-18 Uhr vor Ort an der Tageskasse, telefonisch unter 0251.400 19 oder per Mail unter tickets@wolfgang-borchert-theater.de erhältlich. Interessierte können bereits in der Kostprobe ist am Sonntag, 3. September um 11 Uhr einen ersten Einblick gewinnen. Am Sonntag, 11. September gibt Dramaturgin Edina Hojas um 17 Uhr eine Einführung vor der Vorstellung.
Inszenierung | Tanja Weidner
Bühne, Kostüme & Puppenbau| Annette Wolf
Light-Design | Hermenegild Fietz
Dramaturgie | Edina Hojas
Mitwirkende | Florian Bender | Rosana Cleve | Gregor Eckert | Ivana Langmajer | Jürgen Lorenzen | Alessandro Scheuerer
Weitere Termine | So 10. September | 18 Uhr [17 Uhr Einführung] | Fr-So 13.-15. Oktober