Die emotionale Kluft zwischen dem Kunstliedzyklus als Objekt höchsten Kunstgenusses auf der einen Seite und dem Träger tiefster realer Verzweiflung auf der anderen versuchte Hans Zender 1993 mit seiner „komponierten Interpretation“ zu schließen: Er projiziert die Klavierbegleitung auf kleines Orchester und verfremdet, verräumlicht und überzeichnet die Klänge des Originals, um dessen ursprüngliche Gewalt für ein Publikum der Gegenwart wieder spürbar zu machen.
In seiner Sicht auf Schuberts „Winterreise“ von Hans Zender erweitert Aernout Mik mit seinen Videos nun dieses Werk um eine weitere Dimension und spürt den Bedrohungen des Individuums im Heute nach: Aernout Mik beschäftigt sich mit der unkontrollierbaren Eigendynamik virtueller Welten, die das Individuum im Streben nach Selbstoptimierung ständig dazu verführen, sich und den eigenen Körper vollständig preiszugeben. Die Auflösung des Individuums zwischen bildlicher und realer Welt wird so zur „Winterreise“ des Menschen in der Gegenwart.
Der Tenor Matthias Klink aus dem Stuttgarter Solistenensemble wurde 2017 für sein Rollenportrait des Gustav von Aschenbach in Brittens Der Tod in Venedig in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt zum „Sänger des Jahres“ gekürt und außerdem mit dem Theaterpreis DER FAUST ausgezeichnet.
Schuberts „Winterreise“ von Hans Zender feiert in der szenischen Installation des niederländischen Videokünstlers Aernout Mik unter der Musikalischen Leitung von Stefan Schreiber Premiere an der Staatsoper Stuttgart. Im Mittelpunkt des Abends stehen Kammersänger Matthias Klink als Wanderer und 24 Musiker*innen des Staatsorchesters.
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05. / 08. März 2020