Als sich die Geschichte aber zu wiederholen droht und Osvald mit dem Stubenmädchen, das ihm näher steht, als er zu glauben vermag, anbandelt, beschließt seine Mutter, dies zu verhindern. Doch die Vergangenheit scheint bereits zu deren unwiderruflicher Zukunft geworden zu sein: Osvald wurde attestiert, dass seit seiner Geburt etwas Wurmstichiges in ihm hause. Er wird eingeholt von der Krankheit des Vaters, aber vielmehr noch von den Geistern der Vergangenheit. Eine Hinterlassenschaft, derer man sich nicht entledigen kann.
Dieser fiktiven Familiengeschichte steht die reale der Leipziger Familie Schreber gegenüber. Auch Daniel Paul Schreber, Sohn des berühmten Pädagogen und Arztes Moritz Schreber, scheint die Vergangenheit befallen und eingenommen zu haben. Sein Geist wird zersetzt von einer überbordenden Macht, von Zellen, Stimmen und Visionen. Halluzinationen hält er für übersinnliche Wunder, nicht für die Ausgeburt seiner Phantasie. Festgehalten hat er seine jahrzehntelange Erkrankung, die Klinikaufenthalte sowie detailreiche Beschreibungen seiner Wahnbilder in den „Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken“.
Und auch sein Vater hinterließ etwas in ihm. Mit den Grundlagen zur Kallipädie, der Erziehung zum schönen und aufrechten Menschen, schuf er eine gelebte Vergangenheit für seinen Sohn. Das erfahrene Maß an Disziplin und körperlicher Ertüchtigung sowie die Anwendung mechanischer Vorrichtungen scheinen sich im Körper seines Sohnes eingenistet zu haben — ein unbändiges Wesen, das ihn immer wieder anfällt und schließlich überwältigt.
Es sind die Geister der Vergangenheit, die sich immer wieder der Körper bemächtigen, sie heimsuchen und schließlich nicht mehr loszulassen scheinen. Sie hausen im eigenen Innen, sie sind in uns. Zum Leben erweckt, sprechen sie durch uns hindurch. Die Vielzahl ihrer Stimmen entfacht einen Wahn, der die Realität des Außen und Innen zunehmend ineinander übergehen lässt. Die Vergehen der Vergangenheit, einmal in die Welt gesetzt, lassen sich nicht mehr ausräumen — sie kehren wieder.
Mit: Andreas Keller, Tilo Krügel, Markus Lerch, Denis Petković, Felix Axel Preißler, Julia Preuß, Bettina Schmidt
Regie: Philipp Preuss
Bühne & Kostüme: Ramallah Aubrecht
Live-Video: Konny Keller
Musik: Kornelius Heidebrecht
Dramaturgie: Christin Ihle
Licht: Carsten Rüger
Do, 05.04. 19:30
Große Bühne
19:00
Einführung im Rangfoyer
So, 22.04. 16:00
mit Kinderbetreuung
Große Bühne
15:30
Einführung im Rangfoyer
Fr, 04.05. 19:30
Große Bühne
Sa, 12.05. 19:30
Große Bühne
Mi, 30.05. 19:30
Große Bühne
Sa, 09.06. 19:30
Große Bühne