Fasziniert von dieser mythischen Heldinnenfigur hat Peter Iljitsch Tschaikowsky 1879 seine vieraktige Oper „Die Jungfrau von Orléans“ geschrieben, die 1881 in St. Petersburg uraufgeführt wurde. Für das Libretto diente Friedrich Schillers gleichnamiges Theaterstück als Quelle.
Vom Diktum, aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine keine russischen Werke aufzuführen, ließ sich die Deutsche Oper am Rhein nicht abschrecken. Sie setzte Tschaikowskys Oper, die jetzt in einer äußerst gelungenen Inszenierung von Elisabeth Stöppler Premiere feierte, auf den Spielplan; eine Hindeutung auf die Aktualität des Wahnes und die erschreckenden Auswirkungen eines Krieges.
Das Geschehen lässt Stöppler an einem Einheitsort, dem Inneren einer Kirche stattfinden, die nicht nur ein sakraler Raum ist, sondern auch als Zufluchtsstätte für belagerte Menschen, als politischer Repräsentations- und Kampfort dient. Durch die überwiegend jetztzeitige Kleidung wird das Geschehen besonders nahbar.
Eindrucksvoll zeigt Maria Kataeva als Johanna von Orléans die verschiedenen Facetten dieser Figur. Sie wandelt sich vom religiösem Mädchen, das mit jugendlichem Enthusiasmus und mit Kompromisslosigkeit ihr Ziel verfolgt, Orléans von den Feinden zu befreien und dem Dauphin auf den Thron zu helfen, zur verwundeten Kämpferin, der verletzlich Liebenden und allein gelassenen Angeklagten und Gescheiterten.
Die schwierige Gesangspartie meistert Kataeva beeindruckend und ausdrucksstark. Sergej Khomov als Karl VII. ist dagegen als smarter, führungsschwacher Politiker in teurem Businessanzug gezeichnet, der den imponierenden Auftritt liebt, aber erst durch Johanna und seine Geliebte Agnes Sorel (Luiza Fatyol, ebenfalls sehr ausdrucksstark) zur Verantwortungsübernahme gedrängt wird. Begleitet wird er von Bodyguards mit Maschinenpistolen und Headphones. Als graue Figur wird Johannas Vater Thibaut d'Arc (Sami Luttinen) zum unerbittlichen Verfolger seiner eigenen Tochter. Ihre Kraft verliert Johanna, als sie sich - abweichend von der historischen Figur - in den feindlichen Soldaten Lionel verliebt. Lionel, von Richard Šveda überzeugend dargestellt, ist ebenfalls kein gefestigter Charakter. Er läuft von den burgundischen Feinden zur Partei Johannas über und stirbt im Kampf.
Wenn sich am Ende der Chor zu einem Tableau à la Delacroix zusammenstellt, findet Johanna im feurigen Nebel eines symbolisch angedeuteten Scheiterhaufens ihren Tod.
Mit enthusiastischem Beifall wurde diese beindruckende, spannend erzählte Inszenierung, die in allen Partien hervorragend besetzt ist, gefeiert, ebenso wie die starken Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Péter Halász und der beeindruckend agierende Chor unter der Leitung von Gerhard Michalski.
Musikalische Leitung: Péter Halász
Inszenierung: Elisabeth Stöppler
Bühne: Annika Haller
Kostüme: Su Sigmund
Licht: Volker Weinhart
Chorleitung: Gerhard Michalski
Dramaturgie: Anna Melcher
Johanna von Orléans: Maria Kataeva
Thibaut d'Arc: Sami Luttinen
Raimond: Aleksandr Nesterenko
Karl VII.: Sergej Khomov
Agnes Sorel: Luiza Fatyol
Kardinal: Alexei Botnarciuc
Dunois: Evez Abdulla
Lionel: Richard Šveda
Bertrand: Beniamin Pop
Beichtvater: Johannes Preißinger
Lauret / (Ein Krieger): Žilvinas Miškinis
Engel: Mara Guseynova
Chor der Deutschen Oper am Rhein
Düsseldorfer Symphoniker
Premiere Samstag, 03.12.22, 19.30 Uhr, Opernhaus Düsseldorf