Deutschland gehört zu den größten und bedeutendsten Theaterländern der Welt. Über 5.000 Inszenierungen sind in jeder Spielzeit allein auf den Bühnen der Stadttheater, Staatstheater und Landesbühnen zu sehen. Hinzu kommt das vielseitige Angebot der Privattheater. In zahlreichen Städten gibt es zudem freie Theatergruppen und Festivals. Finanziert wird dieses Angebot vor allem von Kommunen und Ländern. Und doch hatte die Bundesrepublik Deutschland – anders als Frankreich, Österreich und viele andere europäische Länder – bis zum Jahr 2006 keinen nationalen Theaterpreis, der auf die große Leistungskraft der Theater in besonderer Weise aufmerksam macht und diese würdigt. Veranstalter des Deutschen Theaterpreises DER FAUST sind der Deutsche Bühnenverein, die Bundesländer, die Kulturstiftung der Länder und die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste.
Die Nominierungen:
Regie Schauspiel
Kornel Mundruczó, „Látszatélet / Imitation of Life", Theater Oberhausen
Eine Produktion von Proton Theater Budapest in Koproduktion mit Wiener Festwochen, Theater Oberhausen, La Rose des Vents, Maillon, Théâtre de Strasbourg/ Scene européenne; Trafó House of Contemporary Arts; HAU Hebbel am Ufer, HELLERAU - European Center for the Arts und Wiesbaden Biennale
Joanna Praml, „Ein Sommernachtstraum", Düsseldorfer Schauspielhaus/Bürgerbühne
Johanna Wehner, „Die Orestie", Staatstheater Kassel
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Darstellerin/Darsteller Schauspiel
Karin Neuhäuser in „Wut/Rage", Thalia Theater Hamburg
Martin Reinke, Willy Loman in „Tod eines Handlungsreisenden", Schauspiel Köln
Téné Ouelgo, Wilhelm Voigt in „Der Hauptmann von Köpenick", Theater Altenburg-Gera
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Regie Musiktheater
Paul-Georg Dittrich, „La damnation de Faust", Theater Bremen
Tatjana Gürbaca, „Lohengrin", Aalto-Theater Essen
Christoph Marthaler, „Lulu", Hamburgische Staatsoper
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Sängerdarstellerin/Sängerdarsteller Musiktheater
Nadine Lehner, Kundry / 1. und 2. Knappe / Stimme aus der Höhe in „Parsifal", Theater Bremen
Gloria Rehm, Marie in „Die Soldaten", Staatstheater Wiesbaden
Georg Zeppenfeld, Gurnemanz in „Parsifal", Bayreuther Festspiele
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Maria Campos & Guy Nader, „Fall Seven Times" im Rahmen des zweiteiligen Ballettabends „Magma", Staatstheater Mainz
Dewey Dell, „Sleep Technique - Eine Antwort an die Höhle", Tanzfabrik Berlin
Eine Koproduktion mit Societas (Cesena), PACT Zollverein (Essen), BIT Teatergarasjen (Bergen), Brut Wien,Tanzfabrik Berlin
Damien Jalet, „Thr(o)ugh", Hessisches Staatsballett Darmstadt Wiesbaden
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Darstellerin/Darsteller Tanz
Adam Russell-Jones in „Le spectre de la rose", Stuttgarter Ballett
Sylvana Seddig in „Iphigenie", Schauspiel Frankfurt
Lou Thabart als Theo in „Van Gogh", Leipziger Ballett/Oper Leipzig
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Regie Kinder- und Jugendtheater
Hannah Biedermann, „entweder und", Junges Ensemble Stuttgart (JES)
Jan Friedrich, „Faust", Junges Nationaltheater Mannheim
Ulrike Hatzer, „Nebenan", Junges Staatstheater Braunschweig
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Bühne/Kostüm
Sebastian Hannak, Raumbühne „Heterotopia", Oper Halle
Michael Sieberock-Serafimowitsch (Bühne) / Mona Ulrich (Kostüm), „Die Borderline Prozession", Schauspiel Dortmund
Teresa Vergho (Kostüm), „Die Selbstmordschwestern", Münchner Kammerspiele
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Den Preis für das Lebenswerk erhält Elfriede Jelinek
Die Schriftstellerin Elfriede Jelinek ist eine unüberhörbare Stimme im öffentlichen Geschehen. Seit Beginn ihres Schaffens gilt sie als Provokateurin; sie ist die Gegenwartsautorin, der es durch exakte und kontinuierliche Beobachtung gesellschaftlicher Phänomene und deren sezierender Analyse gelingt, den Finger in kollektive Wunden zu legen. Mit ihrer anspruchsvollen Prosa, die fortwährend Brücken zwischen unterschiedlichen Gedankenwelten schlägt, leistet sie einen gleichermaßen sozial wie politisch engagierten Beitrag. Als eine der prominentesten MitgestalterInnen der Umbrüche im deutschsprachigen Theater nach 1968 hat sie mit ihrer Absage an traditionelle dramatische Strukturen und mit ihren wortgewaltigen, sprachlich verdichteten Textflächen eine neue Richtung vorgegeben. Gerade in den letzten Jahren gelingt es ihr mit formal offenen und inhaltlich engagierten Texten immer wieder, Publikum und Kritiker zu faszinieren. Uneitel und mit kunstvollem Sprachfuror schafft sie existenzielle Theatervorlagen, die ganz aktuell sind und dabei tief in die europäische Geschichte zurückgreifen.
In ihrem Schreiben und Wirken weist Elfriede Jelinek weit über sich hinaus: hin zur Gesellschaft und zum Menschsein an sich, und sie setzt damit stetig neue Akzente. Mit der Verleihung des FAUST-Preises 2017 würdigt die Jury ein künstlerisches Lebenswerk, das schon jetzt unauslöschliche Spuren in Literatur, Theater und Film hinterlassen hat - und das uns hoffentlich auch in Zukunft auf unentdeckte ästhetische Wege mitnimmt.
Der Deutsche Theaterpreis ist undotiert.
Grundlage für die Vergabe des Preises sind Vorschläge der Theater, es ist also ein Preis der Theater für ihre Künstler. Ein Theater darf jedoch keine eigene Produktion vorschlagen. Eine Jury aus künstlerischen Berichterstattern und dem Ausschuss für Künstlerische Fragen des Deutschen Bühnenvereins, bestehend aus Intendanten, Ballettdirektoren, Regisseuren, Dramaturgen und Kulturpolitikern, nominiert aus den eingehenden Vorschlägen für jede der einzelnen Kategorien drei Künstler. Über diese Vorschläge stimmen die Mitglieder der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste in einem schriftlichen Verfahren ab.