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"Der Barbier von Sevilla" von Gioacchino Rossini im Hessischen Staatstheater Wiesbaden

Premiere: Samstag, 22. Januar 2011, 19.30 Uhr, Großes Haus

 

Der ganze Kontinent erlag dem Rossini-Fieber – nicht nur Bologna (wo sich der Barbier von Sevilla von seiner verunglückten römischen Uraufführung 1816 schnellstens erholte), sondern bald auch Paris, Berlin und London. Sankt Petersburg und New York folgten.

 

Gierig sog man die schmelzenden Melodien, die köstlichen harmonischen Wechsel und die wie aus funkelndem Sternenstaub bestehenden Koloraturen ein und gab sich willenlos dem atemberaubenden Beschleunigungsdrang der Musik hin. Für seine musikalischen Verführungskünste in seinen fast 40 Opernwerken wurde Gioacchino Rossini gefeiert, beneidet und natürlich auch geächtet. Die klassizistische Leichtigkeit und Klarheit seiner Stücke, allen voran der Barbier von Sevilla als erfolgreichste Opera buffa aller Zeiten, machte ihm so schnell keiner nach. Wie in der Vorlage, Beaumarchais‘ gleichnamigem 1. Teil der Komödientrilogie (1775) – der zweite Teil wurde durch Mozarts Le nozze di Figaro unsterblich, – versucht Graf Almaviva, die schöne Rosina mit allerlei Tricks aus den Händen ihres alten Vormunds Dr. Bartolo freizukaufen. Figaro – im Hauptberuf Barbier, im Nebenberuf Kuppler – hilft ihm dabei…

 

Ganz so harmlos, wie er sich gibt, ist der Barbier von Sevilla nicht. In seinem ersten Auftritt, der berühmten ArieLargo al factotum“, trägt Figaro derart dick auf, dass man wiederum über ihn lachen muss. Meint Figaro das wirklich ernst? Die eingängige musikalische Faktur dieses Eigenlobs ist genau betrachtet absichtlich simpel, entfaltet aber zum Schluss eine geradezu diabolisch wirbelnde Energie. Wie bei allen anderen Figuren spielt das Singen eine wichtige Rolle in diesem Stück, abgesehen davon, dass sie in der Oper sowieso singen: Jede Figur versucht, durch eigene Musiknummern andere (und den Zuschauer) zu verführen. „Singen ist verführen“ könnte der zweite Untertitel neben der „L’inutile precauzione“ („Die nutzlose Vorsicht“) lauten, so der Regisseur und Bühnenbildner der Produktion, Michiel Dijkema.

 

Überhaupt ist die überschäumende Kraft der Musik, die Verwirrung der Sinne ein wichtiges strukturelles Merkmal bei Rossini, gerade in dieser Opera buffa. Sehr sinnreich beginnt der erste Akt mit den Worten „piano pianissimo“ („Sachte, sachte“) und endet mit dem typischen Rossini-Crescendo in einem genial auskomponierten Chaos. Nicht nur die Figuren auf der Bühne klagen dann angesichts der verworrenen Lage über Kopfschmerzen. Auch dem Zuschauer soll es so ergehen, dass er hier seiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr vertraut, sich in einer absurden Wirklichkeit wähnt. Auch sind die Beziehungen der Figuren in dieser perfekt gebauten Situationskomödie hochinteressant. Das Werk verliert wichtige Farben, so Dijkema, wenn man bestimmte Aspekte aktualisiert. Z.B. lassen sich Personenkonstellationen wie Mündel/Vormund (Rosina/Dr. Bartolo), Herr/Diener (Graf Almaviva/Fiorillo) und auch das subtile Verhältnis zwischen Almavivas ehemaligem Diener Figaro und ihm selbst, das dem Stück eine spezifische Spannung verleiht, nicht so ohne weiteres durch heutige Verhältnisse ersetzen oder erklären. Das Kostümbild zitiert daher mit einem frischen Blick von heute die Mode zur Zeit der Uraufführung 1816 durch farbenfrohe, leicht karikierende Kostüme.

 

Der niederländische Regisseur und Bühnenbildner Michiel Dijkema war Preisträger des 3. Europäischen Opernregie-Preises 2005 sowie des 1. Peter-Konwitschny-Nachwuchsregiepreises, und 2007 des wichtigsten estnischen Musiktheaterpreises (Eesti Teatrikunsti Muusikalavastuste Award) für La Cenerentola an der Estnischen Nationaloper Tallinn, wo im Mai 2010 seine Fledermaus-Inszenierung begeistert aufgenommen wurde. Er inszenierte sehr erfolgreich u.a. Die Fledermaus an der Novaya Oper Moskau, L’Orfeo für das Drottningholms Slottsteater Stockholm, Hänsel und Gretel und Die Zauberflöte am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier, an der Reisopera in Enschede (La Cenerentola), an der Oper Leipzig (Il Turco in Italia) und an der Staatsoperette Dresden (La Périchole).

 

Text von Cesare Sterbini nach dem Schauspiel Barbier de Séville ou La Précaution inutile von Pierre August Caron de Beaumarchais

In italienischer Sprache mit Übertiteln

 

Musikalische Leitung: Marc Piollet

Inszenierung und Bühne: Michiel Dijkema

Kostüme: Claudia Damm

Choreinstudierung: Anton Tremmel

 

Mit: Jonas Gudmundsson (Graf Almaviva), Thomas de Vries (Bartolo), Sharon Kempton/ Merit Ostermann (Rosina), Brett Carter/Kiril Manolov (Figaro), Bernd Hofmann/Hye-Soo Sonn (Basilio), Ute Döring/Stephanie Gooch (Berta), Erik Biegel (Fiorillo), Thomas Braun (Ambrosio), Aldomir Mollov/Dong-Gyun Seo (Offizier) u.a.*

Orchester, Herrenchor und Statisterie des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden

(*Doppelbesetzung in alphabetischer Reihenfolge)

 

Weitere Vorstellungen

Freitag, 28. Januar 2011, 19.30 Uhr, Großes Haus

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