Von Odiles Verführungskünsten geblendet, bricht er seinen Treueschwur und verflucht Odette dazu, im Körper eines Schwans gefangen zu sein. Der böse Zauberer Rotbart erlaubt ihnen, sich noch einmal zu sehen, bevor er Odette mit sich nimmt. Am nächsten Morgen liegt Siegfrieds Leichnam tot am Seeufer. Der Todeskampf mit Rotbart zwischen stürmischen Wellen und gewaltiger Gewitterstimmung gerät zu einem Höhepunkt dieser in jeder Hinsicht bemerkenswerten Choreographie. Eine Gruppe wilder Schwäne gleitet über den See. Odette muss nun weiter auf einen treuen Prinzen warten, sonst muss sie für immer ein Schwan bleiben. Elisa Badenes verleiht der anspruchsvollen Doppelrolle von Odette und Odile ein großartiges Profil, das sich im Laufe dieses Abends immer mehr steigert. Die Schwarzer-Schwan-Variationen, die 32 Fouettes und der berühmte Pas de deux von Odette und Prinz Siegfried erscheinen mit einer geradezu sphärenhaften Leichtigkeit und überirdischem Zauber.
Das Staatsorchester Stuttgart musiziert unter der konzentrierten Leitung von Mikhail Agrest ausgesprochen feinnervig und mit viel Gespür für die subtilen thematischen Verbindungen. Klangliche und formale Kühnheiten der Partitur werden immer wieder überzeugend herausgestellt und sind so für die Tänzerinnen und Tänzer eine große Hilfe.
In weiteren Rollen faszinieren vor allem Henrik Erikson als Prinz Siegfried sowie Clemens Fröhlich als unheimlicher Zauberer Rotbart, der alle Fäden in der Hand hält. Die Schwäne erscheinen als Corps de ballet überaus geschlossen, was auch für die Hofgesellschaft und die Bediensteten im pompösen Schloss gilt. John Cranko achtet bei seiner Choreographie auch wiederholt auf die psychologischen Zusammenhänge der Figuren - dies zeigt sich ebenso in der Begegnung mit Siegfrieds Mutter, der Königin (Sonia Santiago). So entdeckt man viele Geheimnisse in dieser Handlung, die sich im Thronsaal des Schlosses beim Auftritt der Prinzessinnen von Polen, Spanien, Russland und Neapel offenbaren. Die Charaktertänze ragen dabei als suggestiv dargebotene Volkstänze hervor. Sprungumdrehungen, Pirouetten und kleine, sehr schnelle Sprünge kulminieren hier zu wirkungsvollen visuellen Höhepunkten, die die Zuschauer unmittelbar mitreissen.
Auch die markant punktierten Motive für den Zauberer Rotbart oder die filigrane Oboe für die Schwäne werden vom Staatsorchester Stuttgart unter Mikhail Agrest überaus bewegend herausgearbeitet. Das Märchen vom unglücklichen Prinzen, der sich von seiner Jugend verabschiedet, erhält bei dieser klugen Choreographie großes Gewicht. Spürbar ist bei dieser Arbeit immer wieder die Sehnsucht nach Verbindung, nach innerem Zusammenhalt. Das Körpervokabular der Tänzer erfährt bei John Cranko wiederholt neue Wandlungen und Ausdrucksnuancen, die sich immer weiter verfeinern. Das ausgereifte Zusammenspiel von Körper und Bewegung erreicht vor allem am Schluss seine größte Dichte. Da gehen Dynamik und Einfühlungsvermögen nahtlos ineinander über. Es ist eine Art Geheimsprache, mit der die Tänzer hier agieren.
Zuletzt großer Jubel für das gesamte Team.