
1991 wacht Otto von F., Literaturstudent aus der West-Ukraine, im Wohnheim des Gorki-Instituts auf. Die Inszenierung von Dusan David Parizek schildert in minimalistisch-collagenhafter Form die seltsame Reise durch die Hauptstadt eines zerfallenden Imperiums. Dieses Moskau ist manchmal zum Greifen nah, ein anderes Mal jedoch wieder weit entfernt und für den Zuschauer nicht fassbar. Otto von F. trifft in Moskau auf zahlreiche Menschen und Gestalten. Schließlich landet er im Kaufhaus "Kinderwelt". Dort gerät er in die Gewalt von Geheimdienstbeamten, die in den Katakomben unter dem Kreml ein gigantisches Rattenheer züchten. "Moskau ist eine Stadt des Verlusts", stellt er schließlich resigniert fest. Und in einer Unterführung wird Otto von F. von einem Mann bestohlen, der jedoch in einen Schacht fällt und in der Moskauer Kloake stirbt. Auch das Treffen Ottos mit einer Prostituierten scheitert. In der rot beleuchteten Moskauer Metro trifft er auf den Kommandeur der Abteilung Rattenvernichtung. "Wir arbeiten nicht mit Spitzeln, sondern nur mit Patrioten!" verkündet dieser Kommandeur.
Moskau wird dann sogar als die "größte ukrainische Stadt der Welt" bezeichnet. Der aufkommende Nationalismus wird ebenfalls mit beissendem Spott verfolgt. Im Hintergrund sieht man die tristen und grauen Hochhaus-Silhouetten. "Das Imperium sollte sich um seine Säufer kümmern!" verkündet gnadenlos einer der Protagonisten. Ein anderes Mal heisst es sarkastisch: "Gestern Nacht kam mir der Gedanke, dass es Gott nicht gibt." Die Darsteller Gabriela Micova, Stanislav Majer, Vaclav Marhold und Martin Pechlat schlüpfen immer wieder gekonnt in die unterschiedlichsten Rollen. Diese Figuren träumen aber auch von einem besseren Leben in einer freien Welt. "Glasnost" und "Perestroika" sind hier Wunschbegriffe neuer Lebenswelten. Der Moskauer KGB-Rattendienst leistet jedoch ganze Arbeit. Der Autor schildert diese absurde Situation mit groteskem Spott.
In der Theaterfassung geraten die Dialoge manchmal zwar etwas langatmig, doch wenn das Gespräch "Nazis" und "ultrarechte Faschisten" erwähnt, bekommt diese Sprache einen scharfen und radikalen Biss. Zuletzt spitzt sich das Geschehen dramatisch zu. Bei einem Symposium der Toten im Untergrund trifft Otto von F. auf Protagonisten wie Lenin und Iwan den Schrecklichen, die er schließlich alle erschießt. In roter Lichtflut tötet er sich mit der Pistole zuletzt selbst. Doch auch als Toter reist er zurück nach Kiew.
Dieses Geschehen wird in der Inszenierung aber eher nur angedeutet. Manche Passage könnte man noch genauer darstellen. Realität und Fiktion sind so schwer greifbar. Doch reisst die dramatische Auseinandersetzung den Zuschauer durchaus mit. Man spielt wieder in tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln. Lang anhaltender Schlussapplaus, auch "Bravo"-Rufe.