
Es wird hier die bizarre Geschichte einer bipolaren Erkrankung erzählt. Der Ausbruch dieser merkwürdigen Krankheit geschieht plötzlich und unmittelbar. Melle fühlt sich als "Zombie", gerät in hoffmanneske Situationen. Das Bühnenbild von Paula Wellmann lässt sogar an anthroposophische Projekte denken. Dr. Mabuse grüßt ebenfalls. Der Protagonist verirrt sich in Alpträumen, die seine Seele peinigen. Gleichzeitig verdichtet sich das dramaturgische Gewebe. Das fesselnde Manifest eines schreibenden Ich kann sich behaupten. Das Leben gerät zum Rausch, zur Party. Der Superstar stürzt aus seinen grotesken Allmachtsfantasien ins Bodenlose. Er nimmt sogar Kontakt zu Gott auf: "Gott? Da ist tatsächlich Gott..." Melle träumt von Sex mit Madonna, da erscheinen auf einmal Autoren wie Hans Magnus Enzensberger - und Alexander Kluge steht vor dem Kanzleramt.
Paula Alpen lässt in virtuoser Weise deutlich werden, wie Melles Körper immer wieder Signale aussendet. Die Depression folgt auf dem Fuß, lässt ihn hilflos zurück. Es folgt das Aufwachen in einem Scherbenhaufen. Melle sagt selbst, dass ihn das Schreiben in irre Räume geführt habe. Und da ist auch noch die Angst, dass die Krankheit wiederkommt. Das alles geschieht auf engstem Raum und wirkt durchaus spannend. Hinter dem rosa Vorhang scheinen sich Gespenster zu befinden, die Melle den Boden unter den Füßen wegziehen. Er verschwindet blitzschnell von der Bühne! Doppelgänger unterstreichen die absurde Situation der ruhelosen Seele. Sie werden von Tim Bülow, Pauline Großmann, Felix Jordan, Mina Pecik, Karl Leven Schroeder und Silvia Schwinger emotional dargestellt - so gibt es auf der Bühne von Paula Wellmann eine Steigerung ins Unermessliche und Gigantische.
Melle fährt zuletzt an einem Seil in riesigen Gewändern in die Höhe. Und die rot-weißen Kostüme von Victoria Behr passen auch zur expressiven Musik von Sixtus Preiss und der suggestiven Choreografie von Björn Leese. Körperliche Vorgänge mutieren zum Gesamtkunstwerk. Es wird versucht, das Ungeheuerliche, das einem passiert, in einer wie aus der Pistsole geschossenen Sprache festzuhalten. Der Autor will natürlich auch zeigen, dass die Stigmatisierung von psychischen Krankheiten und der gesellschaftliche Umgang mit psychischen Erkrankungen viel zu wenig sichtbar sind. Und auch wenn bei der Aufführung nicht alles gelingt, vermittelt das szenische Geschehen dennoch einen packenden Einblick in die vielfältigen Abgründe der Seele, an eine totale Ausweglosigkeit und immer wieder aufkeimende Hoffnung im Sinne Dostojewskijs.
Zu loben ist insbesondere die visuelle Kraft dieser Inszenierung, die beim Publikum einen tiefen Eindruck hinterlässt. Es wird immer nach sehr starken und abstrahierten Bildern und Figuren in den Übersetzungen von Stoffen gesucht. Die Form von Körper und Spiel steht im Zentrum. Lucia Bihler beleuchtet den Kern der Geschichte. Die spielerische Formalisierung lebt von der Reduktion. Der Text scheint den Körper zu brauchen. Man spielt die Bilder improvisatorisch. Dadurch entsteht ein bestimmter szenischer Rhythmus. Das physische Theater lebt hier ganz von der extremen Schauspielerin Paulina Alpen, deren Darstellung den Zuschauer manchmal auch ganz tief berührt! Lucia Bihler möchte den Menschen wohl auch die Angst vor der Psychiatrie nehmen. Melle sagt selbst: "Wenn die Leute noch immer vor mir warnen, frage ich mich: Bin ich vielleicht ein Aussätziger, habe ich eine krasse Krankheit?" Das Schicksal wird hingenommen: "Dann werden diese Zeilen wie ein Gebet sein." Die szenische Körperarbeit steht in diesem Zusammenhang im Mittelpunkt. Dies ist wohl gelungen, denn die Zuschauer spendeten zuletzt trotz manchem Widerspruch großen Jubel.


















