Ohne die Tragik von Alzheimer verneinen zu wollen, findet Regisseur Ludger Engels eine Erzählweise, die komische wie berührende Momente zulässt und so der Katastrophe ihren Schrecken nimmt. Vor allem aber stellt er, so wie das Stück, die Frage nach einem adäquaten Umgang mit der unausweichlichen, weil unheilbaren Krankheit in unserer zunehmend überalternden Gesellschaft.
Das interdisziplinäre Musiktheater „Alzheim“ für Schauspieler*innen und Sänger*innen widmet sich den Erfahrungen von Menschen – Angehörigen wie Betroffenen – mit der am häufigsten auftretenden Demenzerkrankung Alzheimer. In verschiedenen Szenen und Stadien unterschiedlicher Lebensgeschichten entfaltet sich vor dem Publikum, wie Erkrankte die Welt zunehmend anders wahrnehmen und Persönlichkeiten sich verändern. Alle Protagonisten wohnen oder ziehen im Laufe des Stückes als Gäste in ein spezialisiertes Pflegeheim in Thailand. Der zunehmenden Verzweiflung an Alltäglichem und der Überforderung im Umgang mit der Krankheit stehen die Ruhe, Akzeptanz und Zuwendung in einer Pflege gegenüber, die den Bedürfnissen der Erkrankten voll und ganz angepasst ist.
Angetrieben durch die Alzheimererkrankung seiner eigenen Mutter gründete der Schweizer Martin Woodtli im thailändischen Baan Kamlangchay ein Pflegeheim für Demenzpatient*innen, weil das Nachlassen von geistigen und körperlichen Fähigkeiten dort als ein natürlicher Alterungsprozess betrachtet wird. Jürgen Berger schrieb, von seinen dortigen Besuchen inspiriert, das Libretto zu „Alzheim“ und der Regisseur Ludger Engels, intensiv am Entstehungsprozess von „Alzheim“ beteiligt, brachte es 2017 in Bern zur Uraufführung.
Die Musik von Xavier Dayer, die das Schwinden und Vergessen eindringlich und einfühlsam in einer kleinen Orchesterbesetzung unter der Leitung des 1. Kapellmeisters Johannes Zurl illustriert, ist mit Erinnerungssprenkeln aus einem Schweizer Volkslied versetzt und verarbeitet so, wie anregend für Menschen mit Demenzerkrankungen tief im Gedächtnis verwurzelte Musik sein kann.
Ric Schachtebeck hat für die Deutsche Erstaufführung einen Bühnenaufbau konzipiert, der in einem durch Folie abgegrenzten Raum zwischen den Zuschauer*innen platziert ist, sodass diese wortwörtlich eine eigene Perspektive auf das nah zu erlebende Bühnengeschehen einnehmen.
Musiktheater in 50 Bildern von Xavier Dayer
Libretto und Text von Jürgen Berger nach Interviews in der Demenzstation in Baan Kamlangchay, Chiang Mai/Thailand
Regie führt Ludger Engels, am Pult steht Johannes Zurl.
Mit Marie Maidowski (Pflegerin), Sophie Klußmann (Margret), Gesine Forberger (Magda), Heiko Walter (Buddha), Susann Thiede (Lisa), Barbara Dussler (Mariann), Jörg Seyer (Gustl), Nico Delpy (Meinhard), Joey Zimmermann (Brabbler), Mitglieder des Philharmonischen Orchesters
Die nächsten Vorstellungen:
Donnerstag, 14. April; Donnerstag, 28. April; Samstag, 28. Mai; Mittwoch, 8. Juni 2022,
jeweils 19.30 Uhr
Karten
Nach Karten für die weiteren Vorstellungen kann im Besucherservice (im Großen Haus, Schillerplatz 1, +49 355 7824 242) gefragt werden; Karten online über www.staatstheater-cottbus.de