Zu Beginn eine am klassischen Ballett orientierte Preziose von Hans van Manen. "Dances With Piano" ist eine Neufassung seines 2014 uraufgeführten Stückes "Dances with Harp". Drei Frauen, drei Männer ergeben drei Paare, die auf einer schwarzen Bühne aufeinander treffen. Konzentriert scheinen sie ihre Rond de Jambe zu üben. Dann gehen zwei Paare von der Bühne ab, das zurückbleibende dritte Paar beginnt einen Pas de deux, erdig und angespannt. Kontrastiert wird diese Sequenz durch ein heiteres Intermezzo: die drei Männer wirbeln im Imponiergehabe allein über die Bühne. Das nächste Paar erscheint und wird wieder durch eine heitere Sequenz abgelöst bis auch das dritte Paar seinen Auftritt hat. Hans van Mannen spiegelt in den Paarkonstellationen das Verhältnis von Mann und Frau wider, eine Auseinandersetzung der Geschlechter, die von Ernsthaftigkeit geprägt ist. Dagegen geben sich in den Intermezzi die drei Männer allein heiter, gelöst und beschwingt, gar chaplinesk. Es scheint als regiere ohne Frauen die Leichtigkeit des Seins.
Das Highlight des Abends ist die Uraufführung von Martin Chaix' "Atmosphères". Auf der Bühnenrückwand ein großformatiges Schwarz-Weiß-Foto eines gefallenen Engels, von Chaix selbst angefertigt. Inspiriert von dem französischen Künstler Pierre Soulage, der sich in seinen Bildern und Glasfenstern immer wieder mit den Lichtreflexionen und -brechungen der Farbe Schwarz beschäftigt, sind die schwarzen Kostüme, die in ihrer Struktur diese Bilder nachzuahmen versuchen. Eine Tänzerin allein im Nebel, eine Gruppe von Tänzerinnen und Tänzern nähert sich vorsichtig. Ruhe wird mit Geschwindigkeit und Energie kontrastiert. Im nächsten Moment stakst eine Tänzerin insektengleich auf ihren Spitzenschuhen über die Bühne. Der Einzelne und sein Schwarm? Martin Chaix' "Atmosphères" ist genau das: ein faszinierender Einblick in einen unbekannten Mikrokosmos.
Den "44 Duos" von Martin Schläpfer liegt das gleichnamige Musikstück für zwei Violinen von Béla Bartók zugrunde, das u.a. von der Bauernmusik Ungarns, Rumäniens und des Balkans inspiriert ist. Die ein- bis zweiminütigen Nummern geben Schläpfer die Möglichkeit, immer wieder neue Abfolgen zu finden ohne eine groß angelegte Geschichte zu erzählen. Es sind kleine Sequenzen mit unterschiedlichen Stimmungen. Sie sind zwar abstrakt angelegt, aber dennoch lassen sie ein dörfliches Festtagsleben mit all seinen Facetten erahnen. Die Tänzerinnen und Tänzer sind in fast futuristisch anmutende Kostüme in Blau, Weiß, Rot gekleidet, auch diese Kostüme spielen auf die Bauerntracht des siebenbürgischen Kulturraumes an. "44 Duos" sind Miniaturen, die eine fast vergessene Welt in heutiger Sprache wieder aufleben lassen.
Auch dieser abwechslungsreiche Ballettabend löste Begeisterungsstürme aus. Wie sollte er auch nicht, denn die Düsseldorfer Ballettkompagnie tanzte wieder einmal auf höchstem Niveau!
Dances With Piano (Deutsche Erstaufführung) von Hans van Manen
MUSIK Vivo e giusto aus „Mouvements Eclatants“ von Carlos Micháns, Nr. 1 (Angelico), Nr. 2 (Lent) und Nr. 28 (Lent) aus „Música Callada“ von Frederic Mompou, Variation 1 & 11 aus den „Goldberg-Variationen“ BWV 988 von Johann Sebastian Bach sowie Prélude Nr. 4 von Heitor Villa-Lobos
Choreographie: Hans van Manen
Bühne & Kostüme: Keso Dekker
Licht: Bert Dalhuysen
Einstudierung: Rachel Beaujean
Klavier: Schaghajegh Nosrati
1. Paar: Sonia Dvořák, Orazio di Bella
2. Paar: Doris Becker, Alexandre Simões
3. Paar: So-Yeon Kim, Marcos Menha
Atmosphères (Uraufführung) von Martin Chaix
MUSIK „Intermezzo“ von Krzysztof Penderecki, Adagio cantabile aus der Klaviersonate Nr. 8 „Pathétique“ von Ludwig van Beethoven und „Atmosphères“ von György Ligeti
Choreographie & Bühne: Martin Chaix
Kostüme: Aleksandar Nosphal
Licht: Franz-Xaver Schaffe
Tänzerinnen:
Ann-Kathrin Adam, Wun Sze Chan, Feline van Dijken, Sonia Dvořák, Eleanor Freeman, Alexandra Inculet, Helen Clare Kinney, Marjolaine Laurendeau, Aleksandra Liashenko, Sinthia Liz, Asuka Morgenste
Tänzer:
Rashaen Arts, Brice Asnar, Orazio di Bella, Filipe Frederico, Philip Handschin, Vincent Hoffman, Pedro Maricato, Tomoaki Nakanome, Bruno Narnhammer, Daniel Smith, Eric White
44 Duos (Uraufführung) Martin Schläpfer
MUSIK 44 Duos für zwei Violinen von Béla Bartók
Choreographie: Martin Schläpfer
Bühne: Marcus Spyros Bertermann
Kostüme: Hélène Vergnes
Licht: Franz-Xaver Schaffer
Violinen: Dragos Manza, Catherine Ribes
Tänzerinnen:
Marlúcia do Amaral, Camille Andriot, Doris Becker, Wun Sze Chan, Sonia Dvořák, Eleanor Freeman, Alexandra Inculet, Yuko Kato, Helen Clare Kinney, So-Yeon Kim, Aleksandra Liashenko, Sinthia Liz, Asuka Morgenstern, Virginia Segarra Vidal, Marié Shimada
Tänzer:
Brice Asnar, Yoav Bosidan, Rubén Cabaleiro Campo, Michael Foster, Philip Handschin, Sonny Locsin, Pedro Maricato, Marcos Menha, Tomoaki Nakanome, Chidozie Nzerem, Boris Randzio, Alexandre Simões, Daniel Smith, Arthur Stashak, Daniel Vizcayo, Eric White
Premiere Fr 12.04.2019, 19.30 Uhr – Opernhaus Düsseldorf