Um die Folgen des Nicht-Loslassen-Wollens bzw. Sich-der-Zukunft-Verweigerns geht es auch in Tschechows letztem Bühnenwerk „Der Kirschgarten“. Eine aus altem Adel stammende Familie steht vor dem Bankrott, die Gutsherrin Ranjewskaja muss sich der Zwangsversteigerung ihres Besitzes stellen. Der Unternehmer Lopachin rät ihr, den mittlerweile unprofitablen – wenn auch wunderschönen – Kirschgarten abzuholzen, das Herrenhaus abzureißen und das Grundstück, aufgeteilt in Parzellen, gewinnbringend an Sommergäste zu vermieten. Damit könnte der Ruin abgewendet werden. Doch die Familie will sich nicht von ihrem Kirschgarten trennen. Die wirtschaftlich bedrohliche Situation wird so gut wie möglich ignoriert, noch einmal wird getanzt. Doch während die Familie ein rauschendes Fest feiert, ersteigert Lopachin das Gut. Die Familie zieht in unterschiedliche Richtungen davon, während man schon die Axthiebe hört, mit denen der Kirschgarten abgeholzt wird.
Der Kirschgarten als Symbol todgeweihter Schönheit, des Absterbens der alten Zeit: Mit heiterer Ironie beschreibt Tschechow eine Gesellschaft im Übergang, in dem das Altvertraute sich verflüssigt und die Umrisse einer neuen Welt sichtbar werden. Der ungarische Regisseur András Dömötör, der bereits bei Ferdinand Schmalz’ „der thermale widerstand“ wie zuletzt auch bei Joseph Roths „Hiob“ sein Talent für die Kombination von Komik und Tragik unter Beweis gestellt hat, wird mit dem „Kirschgarten“ eines seiner Lieblingsstücke inszenieren, in dem er ein Symbol für unser heutiges Europa und seine Entwicklungen erkennt.
Zum Regisseur
András Dömötör, 1978 in Ungarn geboren, ist Regisseur am Katona József Theater und Schauspiellehrer an der Theaterakademie in Budapest. Seit 2013 arbeitet er vermehrt an deutschsprachigen Bühnen. Er ist besonders an zeitgenössischen Stücken und Themen und an der Rolle, die das Theater in der Gesellschaft spielt, interessiert. Er wurde von der ungarischen Theaterkritik als das „vielversprechendste Nachwuchstalent des Theaters“ ausgezeichnet.
Dömötör führt u. a. am Katona József Theater Budapest, am Deutschen Theater Berlin und am Maxim Gorki Theater Berlin Regie, wo er u. a. „Mephistoland“ inszenierte, das im Rahmen des internationalen Dramatiker|innenfestival Graz im Juni 2016 am Schauspielhaus Graz zu sehen war.
Am Schauspielhaus Graz inszenierte er die 4-teilige Theaterserie „Vigyázat, Szomzéd! – Vorsicht, Nachbar!“, 2016.2017 zeichnete er für die Österreichische Erstaufführung von „der thermale widerstand“ von Ferdinand Schmalz in HAUS ZWEI verantwortlich. In der vergangenen Saison brachte András Dömötör „Hiob“, nach dem Roman von Joseph Roth, in HAUS EINS auf die Bühne.
Regie András Dömötör
Bühne und Kostüme Sigi Colpe
Musik Tamás Matkó
Dramaturgie Karla Mäder
Licht Viktor Fellegi
Mit
Ljubow Andrejewna Ranewskaja, Gutsherrin: Evamaria Salcher
Anja, ihre Tochter: Tamara Semzov
Warja, ihre Stieftochter: Susanne Konstanze Weber
Leonid Andrejewitsch Gajew, ihr Bruder: Jörg Thieme
Jermolaj Alexejewitsch Lopachin, Kaufmann: Nico Link
Pjotr Sergejewitsch Trofimow, Student: Pascal Goffin
Boris Borissowitsch Simeonow Pischtischik, Gutsherr: Gerhard Balluch
Semjon Pantelejewitsch Jepichodrow, Buchhalter: Mathias Lodd
Dunjascha, Zimmermädchen: Anna Szandtner
Firs, Lakai: Franz Solar
Jascha, Junger Lakai: Raphael Muff
weitere Vorstellungen am 13. Februar, am 1., 7., 19., 20. und 23. März sowie am 6. April, jeweils 19.30 Uhr, und am 7. April um 15.00 Uhr, HAUS EINS
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Bld: Anton Tschechow