Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Robert Schumanns „Das Paradies und die Peri“ im Staatstheater WiesbadenRobert Schumanns „Das Paradies und die Peri“ im Staatstheater WiesbadenRobert Schumanns „Das...

Robert Schumanns „Das Paradies und die Peri“ im Staatstheater Wiesbaden

Premiere 29. November 2009 um 19.30 Uhr im Großen Haus.

 

Das musikdramatische Schaffen von Robert Schumann steht in der Bekanntheit zu Unrecht hinter seinem rein instrumentalen Werk zurück. Stücke wie ‚Das Paradies und die Peri‘, ‚Genoveva‘, ‚Faust-Szenen‘ oder ‚Manfred‘ tauchen, wenn überhaupt, eher im Konzertsaal auf.

Dabei beweisen viele briefliche Äußerungen und Opernpläne von der Bedeutung, die Robert Schumann der Opernkomposition auch für sein Selbstverständnis als Komponist beigemessen hat. Mit dem Lyrischen Drama ‚Das Paradies und die Peri‘ hat er ein Hauptwerk der musikalischen Romantik geschaffen, das Sie nun in einer atmosphärisch dichten, den poetischen Geist Schumanns bildhaft umsetzenden Inszenierung von David Mouchtar-Samorai erleben können.

 

Das Stück ‚Das Paradies und die Peri‘ entstand 1841, zu einer Zeit, als Schumann das ersehnte Fernziel in der Komposition einer deutschen Oper formulierte. Als weltliches Oratorium wurde es am 4. Dezember 1843 im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt. Der märchenhafte, exotische und spirituell gefärbte Stoff geht im Kontext der deutschen Romantik einen anderen kompositorischen Weg als die Musikdramen Richard Wagners – den Weg der Poesie.

 

Die große Besetzung für Solisten, Chor und Orchester diente Robert Schumann in der unruhigen Zeit vor den Revolutionsjahren 1848/49 dazu, die Utopie einer neuen, friedlicheren Gesellschaft zu entwerfen. Damit traf er den Nerv des damaligen Publikums. Zahlreiche Aufführungen machten ‚Das Paradies und die Peri‘ zu einem seiner größten Erfolge (über 50 Aufführungen zu Lebzeiten). Er selbst war ausgesprochen glücklich mit dem Werk und hat es verschiedentlich als seine beste Arbeit überhaupt bezeichnet. Charakteristisch für ‚Das Paradies und die Peri‘ ist die lose Reihung von Szenen – eine Art klanglich kolorierter Bilderbogen.

 

Die Peri, das Kind eines Engels und einer Sterblichen, ist auf der Suche nach dem verlorenen Paradies, aus dem sie ausgeschlossen wurde. Erst durch eine Opfergabe kann die Peri zurück gelangen. So muss sie die Länder der Erde bereisen, um im menschlichen Leid zu finden, was ihr den Einlass ins Paradies ermöglicht. Doch weder das Blut eines Kriegers, noch der letzte Atem einer Sterbenden sind ‚des Himmels liebste Gaben‘. Erst die Reuetränen eines Verbrechers öffnen der Peri wieder die Tore zum Paradies.

 

Das Lyrische Drama basiert auf dem Orient-Epos ‚Lalla Rookh‘ des englischen Dichters Thomas Moore. Mit seinem Werk war Robert Schumann schon als Kind vertraut. Der märchenhafte Orient, die Paradiesvorstellung des Islam, die exotischen Schauplätze auf der unendlichen Erdenfahrt der unglücklichen Peri beflügelten die kindliche Phantasie Schumanns. Auch als Erwachsener beschäftigte sich Schumann wieder mit diesem hochpoetischen Stoff aus der persischen Mythologie, bis er sich 1841 zur Komposition entschied. Ein liedhaft-lyrischer Ton durchzieht die einzelnen Episoden der bildhaft-farbenreichen Erzählung zwischen Naturidylle und Seelendrama. Das Werk gehört zum Innigsten, Empfindungsreichsten und Schönsten, was Schumann je komponiert hat.

 

Besonders hervorzuheben sind die großen Chor- und Ensembleszenen. Die Bandbreite reicht von kurzen Einwürfen über Szenen mit dramatischem Charakter bis hin zu oratorisch kommentierenden Stellen, die – wie in den Passionen von Johann Sebastian Bach – nur mittelbar mit der eigentlichen Handlung verbunden sind. Die anspruchsvolle Chorpartie wird vielfältig differenziert in kleine und große, Männer- und Frauenchorbesetzung und Doppelchörigkeit mit dem Solistenensemble. Neben den ausgedehnten Ensembleszenen treten mehrere Figuren auf, die Erzählerfunktionen ausüben und das Geschehen kommentieren.

 

Noch in seinen letzten Lebensjahren und während seines Aufenthaltes in der Nervenklinik in Endenich setzte sich Robert Schumann mit den literarischen und musikalischen Welten seiner Kindheit auseinander. 1855 treten die ersten Anzeichen seiner seelischen Zerrüttung auf. In der sich steigernden, tagelangen Beschäftigung mit Atlanten, aus denen er schließlich alphabetisch geordnete Exzerpte und Auszüge herstellt, manifestiert sich der Versuch, eine Ordnung der Welt herzustellen. Diese erträumte Welt, in der revolutionäres Getöse, Krankheit und Angst einem goldenen Zeitalter gewichen sind, stellt sich im exotisch angehauchten Schauplatz der Peri-Erzählung dar. Regisseur David Mouchtar-Samorai versucht in seiner Inszenierung mit feinem Gespür auch für die Zwischentöne der Musik die märchenhafte Glücksuche der Peri darzustellen – dabei bleibt aber auch die Figur Robert Schumanns und seine persönliche Beziehung zum ‚Peri‘-Stoff im Fokus.

 

In der Inszenierung sitzt ein Mann sitzt auf seinem Bett und träumt das Märchen ‚Das Paradies und die Peri‘. Dabei überlagern sich die Bilderwelten des Märchens mit seiner eigenen Realität. Er wandelt also hin und her zwischen Kindheit und gegenwärtigem Leben. Der Märchentraum des Mannes – und das ist nun ein Grundgedanke der Inszenierung von David Mouchtar-Samorai – ist von der Psyche und der Lebensgeschichte Robert Schumanns bestimmt.

 

Mit dieser Produktion leistet das Hessische Staatstheater Wiesbaden seinen Beitrag zum Robert-Schumann-Jahr 2010.

 

Lyrisches Drama von Robert Schumann

Libretto von Emil Flechsig und Robert Schumann nach dem Epos ,Lalla Rookh’ von Thomas Moore

 

Sébastien Rouland

Regie

David Mouchtar-Samorai

Bühne

Heinz Hauser

Kostüme

Urte Eicker

Choreografie

Andrea Heil

Choreinstudierung

Christof Hilmer

Dramaturgie

Bodo Busse

 

Mit:

Eine Peri

Betsy Horne, Sharon Kempton

Der Engel / Jungfrau

Emma Pearson

Robert

Jonas Gudmundsson

Die Mutter

Ute Döring, Merit Ostermann

Der Vater

Brett Carter, Reinhold Schreyer-Morlock

Ein Jüngling

Christopher Busietta

Gazna und der Mann

Bernd Hofmann, Hye-Soo Sonn

 

Quartett:

Sopran

Emma Pearson

Mezzosopran

Ute Döring, Merit Ostermann

Tenor

Christopher Busietta

Bariton

Brett Carter, Reinhold Schreyer-Morlock

 

Quartett der vier Peris:

Sopran I

Annett Arnold

Sopran II

Emma Pearson

Mezzosopran

Ute Döring, Merit Ostermann

Alt

Barbara Schramm

 

Doppelbesetzung in alphabetischer Reihenfolge

 

Orchester, Chor und Statisterie des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden

 

Sonntag, den 29.11.2009, 19.30 Uhr

Donnerstag, den 17.12.2009, 19.30 UhrFreitag, den 08.01.2010, 19.30 Uhr

Freitag, den 22.01.2010, 19.30 Uhr

Montag, den 25.01.2010, 19.30 Uhr

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 27 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

PACKEND UND KONTRASTREICH -- Dmitri Schostakowitschs 4. Sinfonie mit dem Hochschulsinfonieorchester der Musikhochschule Stuttgart in der Liederhalle Stuttgart

Dmitri Schostakowitsch zog seine vierte Sinfonie nach der Hauptprobe in der Leningrader Philharmonie zurück. Er war damals Anfeindungen als "Formalist" ausgesetzt, die vor allem von Stalin ausgingen.…

Von: ALEXANDER WALTHER

BESEELUNG MECHANISCHER BEWEGUNGEN -- Les Ballets de Monte-Carlo im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

Les Ballets de Monte-Carlo gastierte mit Jean-Christophe Maillots "Coppel-I.A." in Ludwigsburg. Die Uraufführung fand 2019 im Grimaldi Forum in Monaco statt. Die Geschichte von Leo Delibes'…

Von: ALEXANDER WALTHER

REIF UND ABGEKLÄRT -- Stuttgarter Philharmoniker mit Mozart und Bruckner in der Liederhalle STUTTGART

Leider fand die konzertante Aufführung von Puccinis "Madame Butterfly" aufgrund der Erkrankung des Chefdirigenten Dan Ettinger nicht statt. Es gab eine Programmänderung. Gleich zu Beginn faszinierte…

Von: ALEXANDER WALTHER

DIE SONNE ALS EINHEIT -- "Sonne/Luft" von Elfriede Jelinek im Kammertheater Stuttgart

Sonne und Luft stehen im Mittelpunkt dieses vielschichtigen Stücks von Elfriede Jelinek, das den Irrungen und Wirrungen des Menschen nachgeht. Der Umgang mit der Umwelt und dem Klimawandel spielt in…

Von: ALEXANDER WALTHER

ERGREIFEND UND TIEFGRÜNDIG -- Bach-Kantaten mit der Gaechinger Cantorey im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

Das vorletzte Konzert der Reihe "Vision Bach" stand unter dem Motto "Zum Himmel wandern". Unter der inspirierenden Leitung von Hans-Christoph Rademann musizierte die Gaechinger Cantorey zunächst die…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑