Im ersten Satz "Fujarka" fielen pointierte Akkorde der Streicher mit der Piccolo-Melodie besonders auf. Auch der tänzerische zweite Satz wurde als Schnell-Polka federleicht gespielt. "Piosenka" ("Lied") fesselte im dritten Satz als von den Klarinetten bestimmter Klagegesang, dessen Ausdrucksstärke und Intensität ständig zunahmen. Die Streicher bestimmten den groß angelegten zweiten Teil in imponierender Weise. Motivblöcke sowie formale und strukturelle Aleatorik ließen neue Formenwelten entstehen.
Die versierte und überaus wandlungsfähige Geigerin Carolin Widmann stellte dann mit dem SWR Symphonieorchester unter Bas Wiegers "Graal theatre" für Violine und Orchester der finnischen Komponistin Kaija Saariaho vor, die 2023 in Paris starb. Saariaho hat sich für diese expressive Komposition von dem französischen Romancier Jacques Roubaud inspirieren lassen. Es geht um eine berührende Interpretation der alten Legende um den heiligen Gral. Der "Gral" beschreibt hier die introvertierte Haltung, während "Theater" das eher Extrovertierte anspricht. Tremolo-, Glissando- und Ostinato-Klänge berühren sich hier gegenseitig. Im ersten "Delicato"-Satz fallen dunkle Flageolettklänge auf, die vom Orchester immer wieder ergänzt werden. Klangwellen und melodische Phrasen in der Trompetenstimme sorgen für differenzierte Klangflächen, die das SWR Symphonieorchester unter Bas Wiegers subtil interpretierte. Die Klangwellen wurden von der Geigerin Carolin Widmann virtuos und ausdrucksvoll aufgegriffen. Kadenzartige Ausbrüche und Passagen bestimmten dann den zweiten "Impetuoso"-Satz, wo die Solistin Carolin Widmann expressiv musizierte. So ergab sich eine Art konzertantes Wechselspiel zwischen der Solistin und dem Orchester, das überaus elektrisierend war. Carolin Widmann blieb schließlich mit einem geheimnisvollen Tremolo allein zurück.
Chromatische Verschiebungen und sphärenhafte Passagen wechselten sich bei "Verblendungen" für Orchester und Tonband ab. Diese klanglich höchst differenzierte Komposition schrieb Kaija Saariaho im Jahre 1984. Der Tonbandpart besteht aus einem Pizzicato und einem Sforzato. Elektronische Veränderungen und Manipulationen ließen einen bewegenden Kosmos an Klängen und Geräuschen entstehen, Orchester und Elektronik wuchsen ganz zusammen, vertauschten aber auch in raffinierter Weise die Rollen. Der Dirigent Bas Wiegers leitete das SWR Symphonieorchester mit großer Konzentration und Emphase. Der Titel dieses Stückes geht übrigens auf Elias Canettis Roman "Die Blendung" zurück. Es geht darum, wie der Mensch geblendet und schließlich durch sein eigenes Tun erblinden wird. Das auskomponierte Diminuendo verschwand dabei schließlich im Nichts.
Eine bewegende Interpretation bot das SWR Symphonieorchester unter der einfühlsamen Leitung von Bas Wiegers schließlich bei den drei symphonischen Skizzen "La Mer" von Claude Debussy. Das Naturerlebnis des Ozeans war in glühenden Passagen nachvollziehbar. Von der Morgendämmerung bis zum Mittag auf dem Meere ("De l'aube a midi sur la mer") reichte der Stimmungsbogen der ersten Skizze. Über den Streichern erhoben sich ruhige Figuren der Bläser. Ein erneutes Aufsteigen in vielfach geteilten Celli und Hörnern führte zu einem immer stärkeren Leuchten, Flimmern und Glitzern. Sanft wogte anfangs die See, über der dann ein Flimmern und Funkeln die goldenen Pfeile der Sonne ankündigte. Höher stieg das glühende Gestirn empor und goss Fluten von Licht über den weiten Ozean. Fluktuierende Motive und irisierende Klänge malten die verschiedenen Stimmungen in reizvoller Weise aus. Das "Spiel der Wellen" ("Jeux de vagues") löste wieder andere Stimmungen aus. Die Wellen plätscherten hörbar spielerisch an den Strand, Schaum stäubte auf. Geigenflimmern und Harfenglissando schufen reizvolle Kontraste. Unbekannte Rhythmen überschlugen sich, Ruhe wechselte mit glitzernder Bewegung. Mit breiterem Atem strömte dann eine Melodie dahin, die in einen leidenschaftlichen Wirbel gerissen wurde. Zweimal noch rauschte die gewaltige Brandung in den Harfen auf, dann wogte das Wasser wieder in friedlichem Spiel. Eine "Zwiesprache von Wind und Meer" ("Dialogue du vent et de la mer") war dann der suggestiv musizierte dritte Satz, wo sich beide Elemente zuzuraunen schienen, welche Kräfte sie mit- und gegeneinander entfesseln können. Es blitzte in den Trompeten! Von der Brise bis zum Sturm, Wolkenbruch und Gewitter entwickelte sich dabei ein riesiger dynamischer Bogen. Die weit ausschwingende Melodie wurde sehr überzeugend herausgearbeitet. Und beide Stimmen vereinigten sich schließlich zum hymnischen Schlussgesang.
"Bravo"-Rufe im Publikum.