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"Lucia di Lammermoor" von Gaetano Donizetti - Bayerische Staatsoper München

Pemiere Montag, 26. Januar 2015, 19.00 Uhr, Nationaltheater. -----

Donizettis Lucia di Lammermoor – sozusagen Romeo und Julia in den schottischen Lowlands – ist keineswegs eine private Liebestragödie, sondern eine eminent politische Geschichte, die vorführt, wie ein Machtsystem die menschlichen Beziehungen bis ins Innerste deformiert und letztlich zerfrisst.

Gaetano Donizettis „Dramma tragico“ Lucia di Lammermoor wurde im September 1835 im Teatro San Carlo in Neapel uraufgeführt. Das Libretto stammt von Salvadore Cammarano, der sich von Walter Scotts Roman The Bride of Lammermoor inspirieren ließ. Von Zeitgenossen mit heftigen Begeisterungsstürmen gefeiert, gilt das Werk heute noch als herausragendes Werk des Belcanto, in welchem Donizetti seine dramatische Charakterisierungskunst vor allem in den Arien der Titelpartie unter Beweis stellen konnte. Lucia ist eine durch und durch romantische Heldin, die trotz ihres starken Willens und ihrer Durchsetzungskraft an der von Männern beherrschten Gesellschaft zugrunde geht. Ihr im Wahnsinn und schließlich im Tod endendes Drama ist eines der exemplarischsten und spannendsten Frauenschicksale der Operngeschichte. Die letzte Neuinszenierung der Oper in München feierte 1991 mit Edita Gruberova in der Titelpartie und Francisco Araiza als Edgardo Premiere (Michel Plasson / Robert Carsen).

Regisseurin Barbara Wysocka hält Oper für die zeitgenössischste aller Künste. Die polnische Regisseurin gehört zu den kreativsten jungen Theaterkünstlern in Europa. 1978 geboren, studierte sie zunächst Violine an der Staatlichen Hochschule für Musik in Freiburg und dann Regie und Schauspiel an der Theaterhochschule Krakau. An den Münchner Kammerspielen erarbeitete Wysocka im Jahr 2012 Woyzeck/Wozzeck nach Georg Büchner und Alban Berg; weiterhin inszenierte sie am Warschauer Opernhaus Philip Glass’ Kammeroper The Fall of the House of Usher (2009) sowie Eugeniusz Knapiks Moby Dick (2014).

Für Wysocka ist die Hauptfigur in Lucia di Lammermoor kein prädestiniertes Opfer: „Ich sehe sie als starke Frau, die versucht, sich aus einem Netz, in dem sie gefangen ist, zu befreien. Lucia ist ein Opfer der von Männern dominierten Gesellschaft, will sich aber von dieser Opferrolle befreien und kämpft dagegen an. Eine Lucia, die kein Opfer sein will, kann spannend sein: Dann beobachten wir einen Kampf ums Leben. Dieser Kampf endet mit dem Tod, der in diesem Fall Befreiung bedeutet.“ Lucias physischer und psychischer Verfall gipfelt in ihren Wahnsinns-Attacken, die für Wysocka nicht einfach subjektiver Ausdruck einer einzelnen Figur, sondern die Spiegelung von einhundertjähriger Familiengeschichte und -politik sind.

Wysocka rückt in ihrer Interpretation besonders das Verhältnis zwischen Macht und Liebe ins Schlaglicht, da der Stoff für sie genauso Politdrama wie Liebesgeschichte ist. Die zentrale Verknüpfung von Politik und Liebesskandal führte sie bei ihrer Auseinandersetzung mit Lucia di Lammermoor zur Familiengeschichte der Kennedys. In ihrer Inszenierung spielt die amerikanische High Society der 1950er und 1960er Jahre eine wesentliche Rolle: „Die fünfziger und sechziger Jahre sind in unserer Gesellschaft die Zeit eines großen sittlichen Konfliktes und einer weitreichenden Verlogenheit – und die Kennedys sind hier ein gutes Beispiel.“ Motive wie Glamour, Macht, Lügen sowie erzwungene Ehen spielen in beiden Familiengeschichten folgenschwere Rollen und werden so zum Angelpunkt zwischen Lucia di Lammermoor und der Familie Kennedy.

Wysockas Lucia di Lammermoor spielt im Ballsaal eines verlassenen und halbverfallenen amerikanischen Grandhotels. Das Bühnenbild zeigt einen verwüsteten Raum voller Vergangenheit, in dem einst die Society verkehrte, Bälle und Gesellschaften stattfanden. Von Anfang ist das tragische Ende der Geschichte für den Zuschauer präsent – für Lucia und ihren Liebhaber Edgardo kann es keinen Ausweg, kein Happy End geben. Dabei legt die Regisseurin auch großen Wert auf die Rolle des Publikums, das zum passiven Zeugen einer grausamen Geschichte wird: „Die Zuschauer beobachten, wie das Schicksal die Figuren frisst.“

Musikalische Leitung

Kirill Petrenko

Inszenierung

Barbara Wysocka

Bühne

Barbara Hanicka

Kostüme

Julia Kornacka

Licht

Rainer Casper

Produktionsdramaturgie

Malte Krasting, Daniel Menne

Chor

Stellario Fagone

Video

Andergrand Media + Spektakle

Lord Enrico Asthon

Dalibor Jenis

Lucia Asthon

Diana Damrau

Sir Edgardo di Ravenswood

Pavol Breslik

Lord Arturo Bucklaw

Emanuele D'Aguanno

Raimondo Bidebent

Georg Zeppenfeld

Alisa

Rachael Wilson

Normanno

Dean Power

Bayerisches Staatsorchester

Chor der Bayerischen Staatsoper

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