Samson hat unbändige Kräfte, deren Ursache auf einem Geheimnis gründet. Als die Philister, Anhänger des Dagon-Kultes, gegen Jehova schmähen, mündet das in einem Aufstand der Hebräer und Samson führt das hebräische Volk aus der Sklaverei der Philister. Dalila, eine Philisterin, sinnt auf Rache und versucht, Samson mit ihren erotischen Reizen sein Geheimnis zu entlocken. Mehrmals widersteht Samson, bis er ihr schließlich doch offenbart, dass seine Stärke an seine Haarpracht gebunden ist. Nach einem Liebesrausch schert Dalila ihm das Haupt. Seiner Kraft beraubt, wird Samson überwältigt und geblendet. Die Hebräer werden erneut besiegt. Bei einem Opferritual im Tempel des Dagon gelingt es Samson, den Tempel zum Einsturz zu bringen und die Philister doch noch zu stürzen.
In Joan Anton Rechis Inszenierung geht es von der alttestamentarischen Zeit des Jahres 1150 v.Chr. ins Heute. Allzu naheliegend wäre es sicherlich, den Konflikt der Hebräer mit den Philistern gleichzusetzen mit dem zwischen Israelis und Palästinensern. Rechi geht aber zu den Grundlagen einer kriegerischen Auseinandersetzung, bei der es um Macht, Geld, Ausbeutung, Liebe und Verrat geht.
Die Hebräer treten als versklavte Minenarbeiter mit Bauhelm und Grubenlampe in bunter Sicherheitskleidung auf, bewacht werden sie von Anzugsträgern mit Maschinenpistolen. Ihren spärlichen Wochenlohn, der ihnen vom Oberpriester des Dagon ausgehändigt wird, geben sie sogleich für Prostituierte aus. Dalila ist nicht nur Femme fatale, sondern Prostituierte, die zugleich als edle Puffmutter agiert.
Die Philister als feine Anzugsträger mit Aktenkoffer voller Geld symbolisieren die moderne Variante der machtbesessenen Herrscher. Der schnöde Mammon scheint daher auch im Mittelpunkt zu stehen, spielt er doch in jeder Szene eine eklatante Rolle, nicht nur im wandernden Aktenkoffer, sondern auch beim Geldaushändigen, häufigen Zählen, Kingelbeutelfüllen. Die fatale Liebesgeschichte zwischen Samson und Dalila rutscht dabei fast an den Rand des Geschehens, wäre da nicht das Liebesduett „Mon cœur s’ouvre à ta voix“, bezaubernd, aber zumindest von der falschen Schlange Dalila wird der Liebesschwur nur vorgetäuscht. Das orgiastische Opferfest im Tempel der Philister wird zum Treffen schicker und korrekt gekleideter Anhänger einer evangelikalen Sekte in einem nüchternen Saal.
Und wer sich den starken Samson als großen strahlenden Heroen vorgestellt hat, wird in Rechis Inszenierung mit einem etwas unbeholfen wirkenden Außenseiter in ausgewaschenem Shirt und Jeanshose mit viel Bauchspeck konfrontiert. Das ist in der Tat gewöhnungsbedürftig, und hätte vielleicht einer etwas tieferen Personenausarbeitung bedurft.
Dennoch wird die Geschichte von Samson und Dalila spannend neu erzählt und auf hohem musikalischem Niveau dargeboten, ein Hochgenuss. Die Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Axel Kober musizieren dynamisch und intensiv. Der Chor läuft zur Höchstform auf. Die Dalila ist mit Ramona Zahria sowohl sängerisch als auch darstellerisch überragend besetzt, sie überzeugt in ganzer Linie. Auch wenn die Rolle des Samson charakterlich etwas tiefer ausgeprägt sein könnte, stimmlich hält Michael Weinius neben Zahria Stand. Erwähnenswert bei den Nebenrollen ist Simon Neal, der als sadistischer Oberpriester des Dagon überzeugt und fast Samson die Show stiehlt. Auch das Publikum ließ sich von den Darbietungen überzeugen und zeigte sich begeistert.
"Samson et Dalila" von Camille Saint-Saëns
Oper in drei Akten
Text von Ferdinand Lemaire
Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: Joan Anton Rechi
Bühne: Gabriel Insignares
Kostüme: Merce Paloma
Chorleitung: Gerhard Michalski
Licht: Volker Weinhart
Dramaturgie: Anna Grundmeier
Dalila: Ramona Zaharia
Samson: Michael Weinius
Oberpriester des Dagon: Simon Neal
Abimelech: Luke Stoker
Ein alter Hebräer: Sami Luttinen
Kriegsbote: Luis Fernando Piedra
1. Philister: David Fischer
2. Philister: Dmitri Vargin
Düsseldorfer Symphoniker
Chor der Deutschen Oper am Rhein
Premiere 18.10.2019