Auf den Punkt brachte es ein französischer Zeitungsartikel, in dem zu lesen war: »Wir lieben eine rasche Handlung, einzelne und ergreifende Szenen, einen klaren Dialog, und ungeschminkt nennen wir alles langatmig, was sich nicht auf dem kürzesten Weg dem Ziel zubewegt. Auf der anderen Seite des Rheins kann das Drama ohne Nachteil eine Abhandlung werden – die Zuschauer harren der Lösung mit philosophischer Geduld.«
Wenngleich diese Worte nicht auf Berlioz’ »Dramatische Legende« »Fausts Verdammnis« gemünzt sind, so lesen sie sich doch fast wie eine Rechtfertigung derselben. Auch Berlioz war von dem »wunderbaren Buch« fasziniert, als er 1829 seine »Huit scènes de Faust« publizierte, acht nur lose verbundene Szenen aus Goethes »Faust I«, mit denen Berlioz allerdings wenig Erfolg hatte, sodass er das Werk zurückzog, zumal er auch von Goethe keinen Zuspruch erhielt, nachdem dieser von seinem Komponistenfreund Carl Friedrich Zelter ein unvorteilhaftes Gutachten der Komposition erhielt. Dennoch ließ Berlioz der Stoff nicht los, und so begann er 1845 die Arbeit an einem abendfüllenden »Faust«-Werk, in das er die »Huit scènes« einarbeitete. »Opéra de concert« lautete der Untertitel zunächst und deutete darauf hin, dass Berlioz von Anfang an nicht an eine szenische Aufführung dachte.
Später hieß es dann »Légende-dramatique«, was aber ebensowenig auf eine Oper im herkömmlichen Sinne schließen lässt. In der Tat ist »Fausts Verdammnis« eine merkwürdige Mischform zwischen Grand Opéra, Oratorium, Kantate und dramatischer Sinfonie, die aus einer Folge von charakteristischen Tableaus in sprunghafter und keineswegs zwingender Dramaturgie besteht. Überdies wird aus dem Goethe’schen Sucher und Utopisten Faust ein Byron’ scher Melancholiker, und Mephisto ist kein göttlicher Antagonist, sondern ein mit Geistern, Sylphen und Irrlichtern jonglierender Gaukler und Trickbetrüger, der Faust im Rahmen eines bizarren Rituals in die Hölle befördert, bevor Marguerite in einer berückenden Verklärung gen Himmel entschweben darf.
»Fausts Verdammnis« ist ein faszinierendes Hybrid, das sich Berlioz’ Vertrauen in die Macht der Musik und seinem Misstrauen gegenüber den theatralen Möglichkeiten seiner Zeit verdankt. Doch gerade der utopische und experimentelle Zug dieses imaginären Theaters ist eine Herausforderung, die vermeintlichen Grenzen auch heutiger szenischer Mittel immer wieder zu überschreiten.
Deutsches Regiedebüt von Marie-Eve Signeyrole in Hannover
Sie war Ko-Regisseurin von Christoph Marthaler, arbeitete beim Festival d’Aix-en-Provence mit einem begeisterten Simon Rattle zusammen und inszenierte an den großen Häusern Frankreichs. Jetzt ist Marie-Eve Signeyrole erstmals in Deutschland zu Gast und inszeniert „Fausts Verdammnis“ – Premiere am 16. Februar 2019 – an der Staatsoper Hannover. Für ihr deutsches Regiedebüt hat sich die französische Regisseurin Hector Berlioz‘ wohl faszinierendstes Werk vorgenommen. „Fausts Verdammnis“ ist eine Mischform zwischen Grand Opéra, Oratorium, Kantate und dramatischer Sinfonie, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand, eine Zeit, in der ein regelrechtes „Faust-Fieber“ in Paris herrschte. Doch Berlioz – dessen 150. Todestag sich 2019 jährt – erzählt die Handlung der Goeth’schen Tragödie nicht einfach nach. Vielmehr erschuf er eine Folge von charakteristischen Tableaus, in denen aus dem Goeth’schen Sucher und Utopisten Faust ein Byron’scher Melancholiker geworden ist. Mephisto ist kein göttlicher Antagonist, sondern ein mit Geistern, Sylphen und Irrlichtern jonglierender Gaukler und Trickbetrüger, der Faust im Rahmen eines bizarren Rituals in die Hölle befördert.
Regisseurin Signeyrole zeigt ihren Faust als einen zerrissenen Mann, der zwischen Traum und Realität in einer erbarmungslosen Welt wandelt, in der keine Schwächen zugegeben werden dürfen. Er und Méphistophélès entpuppen sich als zwei Seiten derselben Medaille im Spannungsfeld zwischen der Suche nach Glück und Harmonie und der Verlockung verdrängter Obsessionen. In der Partie des Faust ist Eric Laporte zu erleben, ihm steht Shavleg Armasi oder Tobias Schabel als Méphistophélès gegenüber. Khatuna Mikaberidze und Monika Walerowicz übernehmen die Partie der Marguerite. Am Pult des Niedersächsischen Staatsorchesters ist Ivan Repušić in seiner letzten Opernpremiere als Generalmusikdirektor der Staatsoper zu erleben.
Musikalische Leitung
Ivan Repušić
Inszenierung und Videokonzept
Marie-Eve Signeyrole
Bühne
Fabien Teigné
Kostüme
Yashi
Licht
Sascha Zauner
Videorealisation
Baptiste Klein
Choreinstudierung
Lorenzo Da Rio
Leitung Kinderchor
Heide Müller
Dramaturgie
Klaus Angermann / Simon Hatab
Choreographie
Julie Compans
Besetzung
Faust
Eric Laporte
Marguerite
Monika Walerowicz
Méphistophélès
Shavleg Armasi
Brander
Daniel Eggert
Mutter Oppenheim
Kerstin Schweers
Chor
Chor der Staatsoper Hannover
Extrachor
Extrachor der Staatsoper Hannover
Kinderchor
Kinderchor der Staatsoper Hannover
Bewegungschor
Niedersächsisches Staatsorchester Hannover<
19.02.19 Di 19:30
22.02.19 Fr 19:30
06.03.19 Mi 19:30
16.03.19 Sa 19:30
24.03.19 So 16:00
31.03.19 So 18:30
11.04.19 Do 19:30
Tickets für die Premiere von „Fausts Verdammnis“ am 16. Februar 2019 und weitere Folgevorstellungen sind an den Kassen der Staatstheater Hannover oder per Telefon unter 0511 99 99 11 11 erhältlich.
Bild: Hector Berlioz