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ERSTAUNLICHE KLANGVIELFALT -- Neue CD: Dmitri Schostakowitsch - Jazz-Suiten, Ballett-Suiten und Konzerte bei CapriccioERSTAUNLICHE KLANGVIELFALT -- Neue CD: Dmitri Schostakowitsch - Jazz-Suiten,...ERSTAUNLICHE...

ERSTAUNLICHE KLANGVIELFALT -- Neue CD: Dmitri Schostakowitsch - Jazz-Suiten, Ballett-Suiten und Konzerte bei Capriccio

Juni 2025

Die Qualität der Suite für Jazz-Orchester Nr. 2 ("Suite for Variety Orchestra") aus dem Jahre 1938 von Dmitri Schostakowitsch ist in der Aufnahme mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der inspirierenden Leitung von Steven Sloane von geradezu verblüffender klangfarblicher Ausdruckskraft. Obwohl die russischen Wesenszüge im Vordergrund stehen, dominieren immer wieder die theatralisch-bildkräftigen Momente. Erschütternde Tragik und plakathafter Patriotismus stehen dicht beieinander. Bestürzende Wendungen und intimer Zauber bei den lyrischen Episoden fehlen jedenfalls nicht.

 

Copyright: Capriccio

Die kleine Polka oder die Walzer-Rhythmen nehmen die Zuhörer rauschhaft gefangen. Sehr expressiv wirkt auch die gelungene Wiedergabe der Orchestersuite "Moscow Cheryomushki" op. 105 aus dem Jahre 1957/58, wo die Ballett-Rhythmen vor allem am Ende dominieren. Schostakowitschs Sarkasmus erinnert zuweilen sogar an Prokofieff. Folkloristische Momente und Volksverbundenheit werden bei dieser Wiedergabe aber nicht übertrieben. Die überlegende Beherrschung der Form erinnert manchmal sogar an Strawinsky, virtuose Orchesterbehandlung besticht angesichts des kunstvollen polyphonen Satzes. Gustav Mahler blitzt bei der Al-fresco-Technik hervor. Ein gewisser konservativer Zug ist hier in der Harmonik spürbar - so auch in der Suite "Tahiti Trot" op. 16 als Paraphrase des Songs "Tea for Two" aus dem Musical "No, no, Nannette" von Vincent Youmans. Und die Suite für Jazz-Orchester Nr. 1 (1934) besitzt erstaunliche dynamische Kontrasteffekte, die der Dirigent Steven Sloane aber nicht übertreibt. 

Originell ist auf dieser ungewöhnlichen CD aber auch die kontrapunktisch verzwickte Suite aus dem Ballett "The Bolt" ("Der Bolt") op. 27 a, die er im Jahre 1934 schrieb. Hier wird die Arbeit in einer sowjetischen Fabrik in sarkastischer Weise karikiert. Das Unruhige, Bizarre, bisweilen auch Ironisch-Marionettenhafte triumphiert ebenso bei der Film-Suite "The Tale of the Priest and his Servant Balda" ("Die Geschichte des Priesters und seine Diener-Kaluna-Suite") op. 36 aus dem Jahre 1933/34, die in Leningrad entstand. Eine Episode wird hier zum starken Bild ausgeweitet. Energien ballen sich zu einem Sturm der Leidenschaft zusammen! Das vorzügliche MDR Sinfonieorchester unter der energischen Leitung von Dmitrij Kitajenko macht die komplizierten thematischen Entwicklungen präzis sichtbar. Pathetische Höhepunkte besitzt ferner die Suite "The Golden Age" ("Das goldene Zeitalter") op. 22 a, die Schostakowitsch im Jahre 1930 ebenfalls in Leningrad komponierte. 

Ein bunter Melodienreigen korrespondiert mit erstaunlichen Energien und reichem thematischen Material. Reinhold Friedrich (Trompete) und Thomas Duis (Klavier) überzeugen zusammen mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter Lutz Köhler beim Konzert Nr. 1 für Klavier, Trompete und Streicher op. 35 aus dem Jahre 1933. Hier erweist sich Dmitri Schostakowitsch als ein Meister der konzertanten Form. Ein Hauch von Frankreich liegt über diesem spielerisch-gelösten Werk. Das Klavier gibt deutlich den Ton an. Aber auch dort, wo es ernstere Regionen aufsucht, bleibt es auf den Spuren französisch-klassizistischer Vorbilder. Die beiden Hauptthemen des ersten Satzes, Alegro moderato, bieten dabei eine bezaubernde Verschmelzung von westlichen und russischen Elementen. Zuweilen könnte dieser Aspekt auch noch stärker zum Vorschein kommen. Noch reizvoller gelingt hier der zweite Lento-Satz, dessen elegische Walzermelodie viel von der Poesie Tschaikowskys hat, den Schostakowitsch verehrte. Pathetische Momente und Walzer-Schwermut wechseln sich reizvoll ab. Als Kadenz erscheint das Moderato vor dem Finale, das in wechselnden Bildern abrollt. Kühnheiten der Harmonik und rhythmische Stoßkraft reissen den Hörer mit. 

Dies ist auch bei der feurigen Wiedergabe des Konzerts Nr. 1 für Violine und Orchester in a-Moll op. 77 der Fall, das Dmitri Schostakowitsch in den Jahren 1947/48 schrieb. Der Geiger Vladimir Spivakov musiziert dabei mit dem Gürzenich Orchester Köln unter der einfühlsamen Leitung von James Conlon wie aus einem Guss. Interessant sind vor allem die beiden Sätze Scherzo und Passacaglia, weil Schostakowitsch die formalen Besonderheiten subtil auslotet. Die Burleske als Finale erinnert wieder an das Scherzo. Figurationen und Sprünge reissen den Hörer unmittelbar mit! Schostakowitsch hat dieses eigentlich sinfonisch konzipierte Werk für den großen Geiger David Oistrach geschrieben. Es ist eine Sinfonie mit Violine, deren riesige Kadenz am Ende explodiert. Man kann diese Einspielung sehr empfehlen. 
 

   

 

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