Ein schwerer Sturm tobt vor der Küste, Zypern ist keine sonnige Mittelmeerinsel. In Michael Thalheimers Inszenierung von Verdis Oper "Otello" für die Deutsche Oper am Rhein ist es eine dunkle leere Guckkastenbühne, die den inneren Zustand der beiden Gegenspieler Otello und Jago nach außen kehrt. Beide sind vom Ehrgeiz Getriebene und daher Verblendete.
Neid, Missgunst, Rachsucht: Jago lebt seine düsteren Begierden aus. Und in seinem Credo, das man als Antithese zum christlichen Glaubensbekenntnis verstehen kann, verdeutlicht er seine nihilistische Lebenseinstellung. Die Intrige ist sein Mittel, um diese Haltung erfolgreich umzusetzen. Aber auch Otello, eigentlich der Gegenpart zu Jago, ist keine Lichtgestalt, lässt er sich doch nur allzu leicht in die Eifersucht treiben und lebt seine Wut bis zum bitteren Ende aus. Otello ist ein Aufsteiger, der sich seinen Platz in der Gesellschaft erkämpfen muss. Aufgrund seiner Herkunft und seiner Hautfarbe ist er ausgegrenzt. Er hat mit Selbstzweifeln zu kämpfen und ist daher leicht verwundbar.
Thalheimers Inszenierung zeigt, dass nicht eigentlich die Eifersucht Otellos das Thema der Oper ist, sondern der Machtkampf zwischen Zukurzgekommenem und Aufsteiger. Indem er darauf den Focus legt statt auf die Zweierkonstellation Otello-Desdemona, erzählt er die Geschichte noch einmal neu. Nur Desdemona bleibt das unschuldige Opfer, und so sind hier die zwei ihr zugewiesenen Attribute, das Taschentuch und ihr Brautkleid, das einzige Helle.
Von dem Tempo der Musik vorangetrieben, bleibt den Figuren keine Zeit für Reflexion. Otellos Handlungen sind reflexhaft, gleichzeitig bestätigen sie die Vorurteile gegen ihn, Jagos Intrige hat gegriffen!
Begeisterter Applaus für eine überaus spannende und in sich stimmige Inszenierung, in der Ian Storey als Otello und Boris Statsenko als Jago, sowie Jacquelyn Wagner als Desdemona brillierten.
Otello von Giuseppe Verdi
Dramma lirico in vier Akten
Libretto von Arrigo Boito nach Shakespeares „The Tragedy of Othello, the Moor of Venice“
Eine Koproduktion mit der Opera Vlaanderen
Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: Michael Thalheimer
Bühne: Henrik Ahr
Kostüme: Michaela Barth
Licht: Stefan Bolliger
Chorleitung: Gerhard Michalski
Dramaturgie . Luc Joosten
Otello: Ian Storey
Jago: Boris Statsenko
Desdemona . Jacquelyn Wagner
Emilia: Sarah Ferede
Cassio: Ovidiu Purcel
Roderigo: Florian Simson
Lodovico: Bogdan Talos
Montano: David Jerusalem
Ein Bote: Dong-In Choi
Chor: Chor der Deutschen Oper am Rhein
Orchester: Düsseldorfer Symphoniker