Er tourt mit seiner Familie durch die österreichische Provinz, um es aufzuführen, und alle, wirklich alle treten sie darin auf: Caesar, Nero, Napoleon, Churchill, Madame de Staël, Metternich und Hitler - letzteren allerdings überlegt Bruscon für die heutige Vorführung zu streichen. Als er sich aber in dem Provinznest umschaut, in dem er gelandet ist, besinnt er sich eines Besseren: Hitler kann man nicht streichen - nicht hier.
Denn gelandet ist er in Utzbach, in einem modrigen, verdreckten Lokal, das auf den reizenden Namen "Schwarzer Hirsch" hört, und schwarz ist hier alles: Die Gesinnung der Ortsbewohner, die Seele des Gastwirtes und die Stockflecken an den Wänden. Und tatsächlich: Dort hängt noch immer ein Hitler-Portrait. "Daran hat sich bis jetzt niemand gestoßen", lässt der Gastwirt wissen, und serviert die Frittatensuppe. Bruscon sieht sich umgeben von Ignoranten und Unbegabten, und das bekommt vor allem seine Familie zu spüren, wenn er mit ihr noch einmal die entscheidenden Stellen seines Werkes durchgeht, sie beschimpft und tyrannisiert.
Er schwärmt von dem vorhergehenden Auftritt in Gaspoltshofen vor hunderten Leuten und hadert mit seinem Schicksal, das ihn in das nur 280 Einwohner zählende Utzbach verschlagen hat. Und je länger das Stück geht, desto mehr lernen wir in dieser rabenschwarzen Komödie die ganze komische Abgründigkeit des Tourneetheaterlebens kennen, mit Auftritten vor skurrilen Dörflern am Blutwursttag, zur Schweinefütterzeit, mit verwegenen Träumen von Theatertriumphen in Paris, Wien oder Düsseldorf. Angemessen begleitet von dräuendem Donnerhallen und infernalischem Regenguss nähert sich dieses Meisterwerk österreichischer Schmähkunst seinem unaufhaltsamen Höhepunkt, der Beinahe-Auf-führung eines der ganz, ganz großen, unentdeckten Stücken der Weltliteratur.
THOMAS BERNHARD, gestorben 1989, zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Stücke provozierten vor allem in seiner österreichischen Heimat immer wieder heftige Kritik und publikumswirksame Skandale. Er wurde vor allem von der FPÖ als "Vaterlandsverräter" und "Nestbeschmutzer" beschimpft. Bernhard selbst löste 1972 bei der Uraufführung seines Stückes Der Ignorant und der Wahnsinnige bei den Salzburger Festspielen einen Skandal aus, als er für die Aufführung absolute Dunkelheit und deshalb die Löschung des Notlichts forderte. Die feuerpolizeilichen Bestimmungen ließen dies jedoch nicht zu. Damals kommentierte Bernhard: "Eine Gesellschaft, die 2 Minuten Finsternis nicht verträgt, kommt ohne mein Schauspiel aus!" Diese ursprünglich bitter-ernste Auseinandersetzung nimmt Bernhard im Theatermacher komödiantisch wieder auf, denn dort zählt die unsinnige Forderung des Narren Bruscon, das Notlicht zu löschen, um seine Komödie angemessen geben zu können, zu den ironischen Hauptmotiven.
Inszenierung: Corinna Bethge
Bühne und Kostüme: Rahel Seitz
Mit: Wolfgang Häntsch
Tini Prüfert
Felix Lampert
Birte Rüster
Hermann Große-Berg
Aufführungstermine
12.09.2008 | 20:00 | Rheinisches Landestheater - Schauspielhaus | Neuss
13.09.2008 | 20:00 | Rheinisches Landestheater - Schauspielhaus | Neuss
17.09.2008 | 19:30 | Bürgerhaus Radevormwald | Radevormwald
22.09.2008 | 20:00 | Rheinisches Landestheater - Schauspielhaus | Neuss
01.10.2008 | 20:00 | Theater in der Stadthalle | Neumünster
14.10.2008 | 20:00 | Rheinisches Landestheater - Schauspielhaus | Neuss
16.10.2008 | 20:00 | Rheinisches Landestheater - Schauspielhaus | Neuss
19.10.2008 | 18:00 | Rheinisches Landestheater - Schauspielhaus | Neuss
26.11.2008 | 20:00 | Rheinisches Landestheater - Schauspielhaus | Neuss
19.12.2008 | 20:00 | Rheinisches Landestheater - Schauspielhaus | Neuss
26.03.2009 | 20:00 | Eventkirche Velbert-Langenberg | Velbert
29.03.2009 | 20:00 | Rheinisches Landestheater - Schauspielhaus | Walsrode