Die komplizierte Konstellation zwischen Siegmund, Sieglinde und Hunding ist hier ein stürmisch-leidenschaftliches Vorwärtsdrängen des dramatischen Verlaufs, dem vor allem die fulminanten Sänger Stanislas de Barbeyrac als Siegmund, Elza van den Heever als Sieglinde und Soloman Howard als Hunding gerecht werden. Bei der Sequenz "Wälse, Wälse" knüpft Stanislas de Barbeyrac tatsächlich an Lauritz Melchior an. Die geradezu ekstatische Begegnung dieser beiden einsamen und schicksalhaft füreinander bestimmten Geschwister wird dabei hervorragend herausgearbeitet. Der elegische Klang der tiefen Streicher besitzt hier etwas ungemein Bewegendes. Sieglindes Thema in aufsteigenden Terzen gewinnt rasch Kontur, verbindet sich eindringlich mit dem Siegmund-Motiv. In den geteilten Celli blitzt die schmerzlich-schöne Melodie der Wälsungenliebe auf. Das Speer-Vertrags-Motiv bei Hunding weist markant auf Wotan als gemeinsamen Vater hin.
Auch das sich fulminant steigernde Streichertremolo beim hellsten Aufleuchten des Schwert-Motivs besitzt bei dieser Wiedergabe eine strahlende Klarheit. Trompeten, Tuben und Posaunen ergänzen den überaus starken Streicherapparat des Rotterdam Philharmonic Orchestra in imponierender Weise. Demgegenüber ist der zweite Aufzug bei der Begegnung zwischen Wotan und Fricka von nachdenklichem Innewerden und resignierender Erstarrung geprägt. Das Vorspiel deutet leidenschaftlich-verzweifelt die Liebesnacht der Geschwister an, wobei Nezet-Seguin die Verwandtschaft der einzelnen Motive sehr gut betont. Schwert-, Wälsungenliebe-, Flucht- und Hunding-Motiv stürmen geradezu auf den rasant-atemlosen Rhythmus des Walkürenritts zu, der sich hier schon andeutet. Brian Mulligan als Wotan überzeugt dabei mit seinem ausgesprochen hohen Bass genauso wie Karen Cargill als Fricka mit ihrem facettenreichen Mezzosopran.
Die folgende Szene Wotans mit Brünnhilde (ungemein höhensicher: Tamara Wilson) ist dabei ein berührendes Selbstgespräch, in diesem inneren Monolog erkennt Wotan sein tragisches Scheitern, was deutlich zum Ausdruck kommt. Das Zorn- und Unmuts-Motiv wird vom Schicksals- und Todesklage-Motiv wuchtig ergänzt. Die stilistische Geschlossenheit der Musik kommt hier vor allem im dritten Aufzug zum Vorschein, der zum Höhepunkt dieser Aufführung wird. Die leitthematische Verflechtung gelingt schon im ersten Akt vorzüglich.
Der zweite Akt besticht insbesondere bei der "Todverkündigung" als zentraler Szene zwischen Brünnhilde und Siegmund durch unvergessliche Momente. Manches Detail wie das feierliche Schicksals-Motiv in den Wagner-Tuben könnte sogar noch präziser betont werden. Und der dritte Akt wirkt in der kompetenten Interpretation von Yannick Nezet-Seguin und dem klangschön musizierenden Rotterdam Philharmonic Orchestra wirklich wie aus einem Guss. Die Walkürenszenen besitzen Augenblicke voll monumentaler Wucht und gewaltigem innerem Feuer. Dafür sorgen die gut aufeinander abgestimmten Sängerinnen Brittany Olivia Logan als Gerhilde, Jystina Bluj als Ortlinde, Iris van Wijnen als Waltraute, Anna Kissjudit als Schwertleite, Jessica Faselt als Helmwige, Maria Barakova als Siegrune, Ronnita Miller als Grimgerde sowie Catriona Morison als Roßweiße. Den "Walkürenritt" begreift Yannick Nezet-Seguin deutlich als "Kriegsszene" mit entsprechend wilder, martialischer Harmonik. Friedrich Nietzsche bezeichnete diesen Ritt als "Circus Walküre". Aber gerade dies unterstreicht Yannick Nezet-Seguin keineswegs. Vielmehr erkennt er im transparent gestalteten Klangbild auch die harmonische und thematische Vielschichtigkeit dieser grandiosen Szene. Diese Walpurgisnacht gerät so tatsächlich zu einem überaus rauschhaften Taumel.
Die Liebe zwischen Vater und Tochter ist dabei das Gegenstück zur erotischen Liebesvereinigung Siegmunds und Sieglindes im ersten Aufzug. Bei Wotans Abschied und Feuerzauber bieten Brian Mulligan und Tamara Wilson als gesanglich überaus klangfarbenreiche und höhensichere Brünnhilde eine weitere stimmliche Glanzleistung. Yannick Nezet-Seguin brennt als Dirigent geradezu für diese Partitur, er ist immer dabei und Feuer und Flamme. Die Musiker folgen seinen Intentionen minuziös, was der musikalischen Qualität erheblich nützt. Wotans Schlussworte "Wer meines Speeres Spitze fürchtet, durchschreite das Feuer nie!" lässt das Siegfried-Thema in dieser Interpretation wunderbar hervorstrahlen. Die Melodien des lodernden Feuerzaubers besitzen eine überschwängliche Emphase, die das Publikum im Festspielhaus mitreisst. Der immer dichter werdende Klangapparat des Feuerzaubers mit seinen Zweiunddreißigsteln mündet geheimnisvoll in das Waberlohe-Motiv des ungeheuren Flammenwalls. Violinen und Bratschen betonen das Scheidelied überaus ergreifend.
Großer Jubel, donnernder Schlussapplaus im Festspielhaus.