Klar, Schulden und Kredithaie sind ohnehin hassenswert. Wie übel zudem, dass Shylock Jude ist. Doch Antonio bleibt nichts anderes übrig. Mit heftigen Schmähungen und voller Hochmut lässt er sich für das Darlehen sogar auf einen Schuldschein ein, der Shylock berechtigt, im Falle von Zahlungsschwierigkeiten Antonios »ein Pfund Fleisch nächst dem Herzen« aus dessen Körper zu schneiden. Was soll’s! Bassanio bekommt von Antonio das geliehene Geld und ist nun bei Portia erfolgreich. Und die Schuld bei Shylock ist ja bald beglichen ...
Mitnichten! Was undenkbar schien, passiert: Antonio verliert durch Havarien die Erlöse seiner Containerschiffe und Shylock, der stets Gedemütigte, verlangt unerbittlich vor Gericht die Einhaltung des Vertrags. Der Jude als Feindbild: geldgierig, hinterhältig, durchtrieben ... — antisemitische Reflexe waren nicht erst zur Shakespearezeit Normalität. Aber heute? Das Stück stellt die Frage neuerlich dringlich: Ist dieser tief sitzende Hass 80 Jahre nach dem Holocaust in Venedig, London, vor allem aber in Berlin oder Ulm wirklich verschwunden?
aus dem Englischen von Werner Buhss
Inszenierung Jasper Brandis
Bühne Andreas Freichels
Kostüme (nach Entwürfen von Andreas Freichels) Maike Häber
Licht Johannes Grebing
Dramaturgie Natalie Broschat
Regieassistenz & Abendspielleitung Nemanja Leković
Soufflage Ruth Dohle
Inspizienz Oliver Eisenmenger
Mit
Maurizio Micksch (Antonio, ein Kaufmann von Venedig) Vincent Furrer (Bassanio, Freund von Antonio und Bewerber um Portia) Rasmus Friedrich (Lorenzo, verliebt in Jessica) Stephanie Pardula (Portia, eine Erbin in Belmont) Natascha Heimes (Solanio und Salerio, Freunde von Antonio und Bassanio / Jessica, eine Jüdin, Tochter Shylocks / Tubal, ein Jude) Frank Röder (Lanzelot Gobbo, Diener Shylocks / Der alte Gobbo / Der Herzog von Venedig) Markus Hottgenroth (Shylock, ein Jude)