Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Boris" von Modest Mussorgski/Sergej Newski - Staatsoper Stuttgart "Boris" von Modest Mussorgski/Sergej Newski - Staatsoper Stuttgart "Boris" von Modest...

"Boris" von Modest Mussorgski/Sergej Newski - Staatsoper Stuttgart

Premiere/Uraufführung Sonntag, 02. Februar 2020, 18 Uhr

Modest Mussorgski

Boris Godunow (Urfassung von 1869)

nach dem gleichnamigen Versdrama

von Alexander Puschkin

 

Sergej Newski Secondhand-Zeit (Auftragskomposition der Staatsoper Stuttgart)

nach Texten aus dem gleichnamigen Buch

von Swetlana Alexijewitsch

 

Das Vergessen mag eine Gnade sein, aber wer sich nicht erinnern kann, ist verloren. Und so erinnert Modest Mussorgski an einen Krisenmoment der russischen Geschichte, ihren glücklosen Protagonisten Boris und das dem Zaren zujubelnde, ihn verfluchende, meist nur ausharrende Volk. Mussorgski zeigt auch, wie Geschichte geschrieben wird: Ein Mönch verfasst eine Chronik und hält dort die Ermordung eines Thronerben in Godunows Auftrag fest. Ganz gleich, ob der Kindermord Fakt ist oder Legende: Den Zaren bringen die Gespenster der Vergangenheit zu Fall. Wer schreibt Geschichte und in wessen Interesse? Und in welchem Verhältnis steht sie zur Wahrheit? Ist Erinnerung Fiktion?

Für Swetlana Alexijewitsch liegt die Wahrheit im vielstimmigen Nebeneinander der Erfahrungen hunderter ungekrönter, anonymer „Held*innen des Alltags“, wie sie sie in ihrem Erinnerungsbuch Secondhand-Zeit dokumentiert. Der Komponist Sergej Newski setzt einige dieser Lebensgeschichten als musikalische Erinnerungssplitter zwischen Mussorgskis historische Tableaus. Sie sind exemplarisch für den Einbruch der Kriege um Macht und Ideale in Enklaven wie Liebe und Familie.

Newskis Neukomposition verzahnt sich in BORIS mit Mussorgskis Oper von 1869 zu einer gemeinsamen Erzählung. Der Regisseur Paul-Georg Dittrich entwirft Boris Godunow dabei als düstere Zukunftsvision eines neozaristischen Reichs mit maßgeschneidertem Geschichtsbild aber ohne Gedächtnis. In der kollektiven Amnesie flackern die Erinnerungen aus Secondhand-Zeit immer wieder auf. Wie Untote fahren die vor langer Zeit geträumten Träume und erlebten Enttäuschungen in die Menschen der Zukunft und geben ihnen ein Gefühl für ihr Gestern zurück.

in russischer (Boris Godunow) und deutscher Sprache (Secondhand-Zeit)

Musikalische Leitung Titus Engel
Regie Paul-Georg Dittrich
Bühne Joki Tewes, Jana Findeklee
Kostüme Pia Dederichs, Lena Schmid
Video Vincent Stefan
Licht Reinhard Traub
Chor Manuel Pujol
Dramaturgie Miron Hakenbeck

Boris Godunow Adam Palka
Fjodor / Die Aktivistin Alexandra Urquiola*
Xenia/Die Geflüchtete Carina Schmieger*
Xenias Amme / Die Mutter des Selbstmörders Maria Theresa Ullrich
Fürst Wassili Schuiski Matthias Klink
Pimen Goran Jurić
Grigori Otrepjew / Der jüdische Partisan Elmar Gilbertsson
Warlaam Friedemann Röhlig
Missail / Ein Leibbojar Charles Sy*
Eine Schenkwirtin / Die Frau des Kollaborateurs Stine Marie Fischer
Ein Gottes Narr / Der Obdachlose Petr Nekoranec
Mikititsch (Aufseher) / Offizier der Grenzwache Ricardo Llamas Márquez
Mitjucha Matthias Nenner / Heiko Schulz
Andrei Schtschelkalow Pawel Konik
Bariton (Alter Ego des Jüdischen Partisanen) Urban Malmberg
Kind (Alter Ego des Jüdischen Partisanen) Ramina Abdulla-zadè
* Mitglieder des Internationalen Opernstudios der Staatsoper Stuttgart
Staatsopernchor Stuttgart
Staatsorchester Stuttgart

Weitere Vorstellungen
07. / 16. / 23. Februar 2020
02. März 2020
10. / 13 . April 2020

Das Bild zeigt Modest Mussorgski

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 14 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

GLUT UND FEUER -- Jubiläumskonzert 40 Jahre Kammersinfonie im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

1984 wurde dieser für die Region so bedeutende Klangkörper von Peter Wallinger gegründet. Unter der inspirierenden Leitung von Peter Wallinger (der unter anderem bei Sergiu Celibidache studierte)…

Von: ALEXANDER WALTHER

EINE FAST HYPNOTISCHE STIMMUNG -- Gastspiel "Familie" von Milo Rau mit dem NT Gent im Schauspielhaus STUTTGART

Dieses Stück erzielte bei Kritikern zum einen große Zustimmung, zum anderen schroffe Ablehnung. Vor allem die nihilistischen Tendenzen wurden getadelt. Der Schweizer Milo Rau hat hier das beklemmende…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

VERWIRRUNG BIS ZUM SCHLUSS -- "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano im Theater Atelier Stuttgart

Eine geschickt verwobene und raffinierte Handlung präsentiert Vladislav Grakovski in seiner Inszenierung des Kriminalstücks "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano. Spannung, Humor und…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑