Allzu leicht fällt die Identifikation mit den aufmüpfigen Helden dieses Stücks, die sich nichts gefallen lassen, allzu einfach scheint es, Parallelen zwischen ausländischen Ordnungsmächten damals und heute zu ziehen, die das stille Glück des Individuums stören und „alte Bande“ zerreissen wollen – „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Die Innerschweiz des Jahres 1291 in der treffsicheren Kombination von Rütlischwur
und Apfelschuss dient Schiller dabei als märchenhaftes Beispiel, um das Recht auf Tyrannenmord zu diskutieren. Mit akribischer Orts- und Geschichtskenntnis und ohne je da gewesen zu sein, zeichnet der Dichter die Waldstätte als Muster für gesellschaftliches Handeln.
Der tschechische Regisseur Dušan David Pařízek, von dem im Pfauen zuletzt „Faust 1–3“ von Johann Wolfgang von Goethe und Elfriede Jelinek sowie Kleists „Das Käthchen von Heilbronn“ zu sehen waren, wirft einen ausserschweizerischen Blick auf die Innerschweiz. Nur welchen Tell wird Pařízek zeigen? Einen politischen Attentäter, der sich durch seinen Anschlag auf den verhassten ausländischen Statthalter Gessler an die Spitze der Bewegung katapultiert? Einen eigenbrötlerischen Gebirgsjäger, der persönliche Rache nimmt an einem Mann, der ihn fast zum Mörder seines Kindes werden liess? Ein Provinz- Superman mit kräftigen Schultern und schwerem Geschoss, der sich Gruppenzwängen geschickt verweigert? Oder einfach eine aus Skandinavien eingeschleuste Sagenfigur, in der sich das Wunschdenken von Generationen abbildet?
Dušan David Pařízek wurde 1971 in Brünn geboren. Nach seinem Studium der Komparatistik und Theaterwissenschaften an der Universität München sowie Schauspiel und Regie an der Akademie für Darstellende Künste in Prag leitete er von 1998 bis 2012 das Ensemble „Prager Kammertheater“, das er gegründet hatte und das seit 2002 im „Divadlo Komedie“ in der Prager Innenstadt beheimatet war. Neben Uraufführungen tschechischer Dramatiker zeigte diese in Tschechien mehrfach als „Theater des Jahres“ ausgezeichnete Bühne vor allem Werke zeitgenössischer österreichischer und deutscher Autoren, die in neuen Übersetzungen oder Bearbeitungen gespielt wurden. Pařízek widmete sich in Prag mehrfach dem Werk Thomas Bernhards und Elfriede Jelineks, er inszenierte Stücke von Robert Musil und Roland Schimmelpfennig. Seit 2002 führt er regelmässig in Deutschland Regie, so am Deutschen Theater Berlin („Die Verwirrungen des Zöglings Törless“), am Staatstheater Dresden („Der
Prinz von Homburg“) und am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg („Die Hermannsschlacht“, „Kabale und Liebe“, „Dantons Tod“, „Götz von Berlichingen“). Dušan David Pařízek stellte sich dem Zürcher Publikum 2010 erstmals mit einer Theateradaption von Agota Kristofs Roman „Gestern“ vor.
WILHELM TELL
von Friedrich Schiller
Regie Dušan David Pařízek
Bühne Dušan David Pařízek
Kostüme Kamila Polívková
Licht Christoph Kunz
Musik Roman Zach
Dramaturgie Roland Koberg
Mit:
Frank Seppeler Hermann Gessler
Siggi Schwientek Werner, Freiherr von Attinghausen/Walterli
Sean McDonagh Ulrich von Rudenz
Lukas Holzhausen Werner Stauffacher
Gottfried Breitfuss Walter Fürst
Fritz Fenne Arnold von Melchtal
Michael Neuenschwander Willhelm Tell
Sarah Hostettler Gertrud
Irina Kastrinidis Hedwig
Miriam Maertens Berta
Weitere Vorstellungen im Pfauen
19./ 26./ 27. März, jeweils 20 Uhr
17./ 24. März, jeweils 15 Uhr
4./ 5./ 10./ 14./ 18./ 24./ 30. April, jeweils 20 Uhr
1. April, 19 Uhr
1. Mai, 19 Uhr
Weitere Vorstellungen sind in Planung.