Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
KLARE STRUKTUREN -- 3. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart in der Liederhalle StuttgartKLARE STRUKTUREN -- 3. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart in der...KLARE STRUKTUREN -- 3....

KLARE STRUKTUREN -- 3. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart in der Liederhalle Stuttgart

am 19.1.2025

Das dritte Sinfoniekonzert des Staatsorchesters begann mit Richard Wagners "Siegfried-Idyll" aus dem Jahre 1870. David Afkham machte als einfühlsamer Dirigent des Staatsorchesters deutlich, wie stark der Schlussakt von Wagners Bühnenfestspiel "Der Ring des Nibelungen" dabei mitgewirkt hat. Dass sich viele Melodien aus dem Gesang entwickeln, konnte man gut nachvollziehen. Das Werk wurde geschrieben, als der Sohn Siegfried geboren war, sozusagen als Ständchen an die Mutter Cosima. Sehr kostbar für kleines Orchester instrumentiert, verwendet diese Partitur Motive vorwiegend aus dem Schlussakt des "Siegfried" - und die Liebesmelodien der Brünnhilde erreichten hier eine wunderbar intime Innigkeit. Es fehlte der Zug ins Heroische, den sie sonst besitzen.

 

Anschließend interpretierte die Klarinettistin Sharon Kam zusammen mit dem Staatsorchester Stuttgart unter David Afkham ganz hervorragend das Konzert für Klarinette in A und Orchester von Paul Hindemith aus dem Jahre 1947. Die vier Sätze verbreiten weitgehend gute Laune und haben eine klare Struktur, was bei dieser Wiedergabe deutlich hervorstach. Der erste "ziemlich schnelle" Satz zeigte deutlich seinen sonatenartigen Charakter und wurde vorwiegend aus den beiden Themen entwickelt, deren erstes das Orchester als Kopfmotiv vorstellte. Das zweite Thema wurde dann erfrischend von der Solistin aufgegriffen. Nach der freien Reprise leiteten weiche, ruhige Hornklänge die fast träumerisch ausklingende Coda ein. Der folgende schnelle "Ostinato"-Satz riss die Zuhörer ebenfalls mit. Eine markante, kurze Bassfigur mit ständiger Wiederkehr außer im Mittelteil setzte sich forsch durch. Anklänge an Rossini-Melodien hellten die Stimmung weiter auf. Den ruhigen dritten Satz hielt die Solistin mit den weiten Bogen seines Gesangsthemas in schönem Fluss. Klangzauber und zarte Arabesken folgten. Und das "heitere" Finale beschwor Rondogeister mit lärmender Fröhlichkeit, zarte Passagen eingeschlossen. Hindemith schrieb übrigens auch eine Wagner-Parodie auf den "Fliegenden Holländer". Als Zugabe spielte Sharon Kam noch eine berührende Hommage an Manuel de Falla von Bela Kovacs.

Zum Abschluss überzeugte dann die robuste, aber nie lärmende Wiedergabe der Sinfonie Nr. 4 in Es-Dur "Romantische" von Anton Bruckner. Der Charakter der "Natursinfonie" schimmerte bei dieser fesselnden Wiedergabe immer durch. Schon der geheimnisvoll gestaltete Anfang atmete reine Waldesstimmung. Wie aus grünem Schweigen tauchte sein Hornthema mit dem Quint-Intervall empor. Zart schwebte es weiter in ruhiger Fortspinnung. Insbesondere das ruhig schwebende Tremolo der Streicher blieb im Gedächtnis. Ein gehaltener Hornton leitete zur zweiten Themengruppe über, in der zum schwärmerischen Gesangsmotiv der Bratschen zuerst in den Geigen ein Vogelruf erklang. Es mündete in eine neue Steigerung mit dem Kopfmotiv des Themas. Ein machtvoller Choral der Blechbläser sorgte für die harmonische Krönung. Und die Reprise brachte den grandiosen Coda-Triumph des Hornrufs. Der zweite Satz erinnerte in seiner Schlichtheit an Schubert. Unter stockender Streicherbegleitung stimmten die Celli den dunklen Trostgesang an, der vom Quint-Intervall befruchtet wurde. Vogellgaute mischten sich reizvoll in die Intervalle ein. Und der Trostgesang steigerte sich dynamisch zu akustisch gewaltigem Jubel. Im sehr bewegt musizierten Scherzo tönten Jagdhörer hell durch die dämmerige Waldesstille. Es fehlte hier nicht an gefühlvoll-besinnlichen Tönen einer Bratschenmelodie mit der Antwort des Horns und von Streichern und Holzbläsern. Das Trio wiegte sich in schöner Harmonierückung. Unheimlich bergann das Finale  mit fernen Hornrufen. Das gewaltige Hauptthema wurde geradezu herausgeschleudert. Intervalle und Fünfer-Rhythmus schufen Beziehungen zum ersten Satz. In gebieterischer Größe meldete sich dann der Hornruf wieder, ein weit ausholendes Posaunenthema reckte sich gewaltsam empor. Die Stimmung wurde bei dieser Wiedergabe immer unheimlicher, denn David Afkham gelang es packend, alle Kräfte zu bündeln. Die neuen Themenprägungen wuchsen immer stärker und monumentaler an, um dann zuletzt in einer triumphalen Coda zu enden. Wucht und Feuer entfalteten sich ohne Tempoverzögerungen.

Jubel und "Bravo"-Rufe.
 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 19 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

KLARE STRUKTUREN -- 3. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart in der Liederhalle Stuttgart

Das dritte Sinfoniekonzert des Staatsorchesters begann mit Richard Wagners "Siegfried-Idyll" aus dem Jahre 1870. David Afkham machte als einfühlsamer Dirigent des Staatsorchesters deutlich, wie stark…

Von: ALEXANDER WALTHER

KAMPF GEGEN WINDMÜHLEN -- "I Love Horses" ("Genau wie Michael Kohlhaas") im Schauspiel Nord/STUTTGART

Da heißt es über den Titelhelden Michael Kohlhaas: "Dieser außerordentliche Mann würde, bis in sein dreißigstes Jahr für das Muster eines guten Staatsbürgers haben gelten können, wenn er in einer…

Von: ALEXANDER WALTHER

HYMNE AUF DAS HANDY -- Musikkabarett "Männer, die auf Handys starren" mit Annette Kruhl im Kleinkunstkeller BIETIGHEIM-

Die Kabarettistin Annette Kruhl gestand, dass sie schon lange dem App-Wahn verfallen sei. Vom Horoskop bis zur elektrischen Zahnbürste sei ihr das Handy ein hilfreicher Begleiter. Vor allem ein Date…

Von: ALEXANDER WALTHER

FURIOSE AUSBRÜCHE -- SWR Symphonieorchester unter Jonathan Nott in der Liederhalle Stuttgart

Wer die Sinfonie Nr. 4 "Symphonie Concertante" op. 60 mit Klavier und Orchester von Karol Szymanowski noch nie gehört hat, konnte eine Überraschung erleben. Dynamische Finessen stehen hier neben…

Von: ALEXANDER WALTHER

BERÜHRENDE TIEFE DES AUSDRUCKS -- Premiere "MAHLER X DREI MEISTER" mit dem Stuttgarter Ballett im Opernhaus STUTTGART

Mahlers Musik eignet sich tatsächlich für eine biografische Interpretation. Die drei Werke des Ballettabends "MAHLER X DREI MEISTER" beleuchtet sein außergewöhnliches Leben in besonderer Weise. In der…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑