Die Starsopranistin Gemma Bellincioni war der Motor der Uraufführung gewesen — vom Werk des jungen Sizilianers Pierantonio Tasca begeistert hatte die Diva A Santa Lucia der Berliner Krolloper angeboten, die sie auf einer Tournée besuchen wollte. Auf diese Weise kam eine Verismo-Oper 1892 zur umjubelten Uraufführung in der deutschen Hauptstadt. In der traditionsreichen Vossischen Zeitung etwa konnte man lesen, dass »das Werk eine tief eingreifende Wirkung und einen so stürmischen äußeren Erfolg« erzielte, »wie er seit Mascagnis Cavalleria rusticana hier nicht erlebt worden ist.« Mit dem Tode Bellincionis verschwand jedoch auch A Santa Lucia trotz ihres großartigen Erfolgs von der Bühne.
Doch ganz unwiederbringlich vergessen war sie nicht: »Der in Berlin verlegte Opernführer meiner Großmutter war meine erste Begegnung mit dieser faszinierenden Oper«, erinnert sich der Dessauer Operndirektor Felix Losert. »Dort war die Handlung mit ihrer Geschichte über eine alleinerziehende Neapolitanerin und das tragische Ende ihrer großen Liebe beschrieben. Erst viel später habe ich Libretto und Noten der Oper, die mir nicht mehr aus den Gedanken ging, in einem Archiv finden können.« 125 Jahre nach der Uraufführung stellt das Anhaltische Theater Dessau A Santa Lucia erneut vor — und stellt sie der Cavalleria rusticana von Pietro Mascagni gegenüber.
Als Pietro Mascagni mit seiner Cavalleria rusticana 1890 einen Kompositionswettbewerb gewann und bei der Uraufführung in Rom triumphal gefeiert wurde, begann der weltweite Siegeszug einer neuen Opern-Strömung, der des ›Verismo‹. Giovanni Verga hatte auf drei-vier Seiten in lakonischer Direktheit eine tragische Geschichte aus einem sizilianischen Dorf skizziert, und Mascagni machte daraus eine weniger als einstündige Oper, die bis zum Platzen mit Leidenschaft gefüllt ist. Zahllose Komponisten orientierten sich an »Cavalleria rusticana«, um ebenfalls Erfolg zu haben.
Unter ihnen war nicht nur Leoncavallo mit seinen Pagliacci, sondern auch der junge Komponist Pierantonio Tasca (1864–1934). Er war zwar selbst in Sizilien aufgewachsen, zeigte jedoch in A Santa Lucia die von Armut und täglichem Überlebenskampf gekennzeichnete Welt der größten Metropole Italiens, Neapel. Die Oper kam nicht in Neapel, auch nicht in Rom oder Mailand, sondern in Berlin zur Uraufführung. Die Premiere am 16. November 1892 in der Berliner Kroll-Oper geriet zu einem Erfolg, »wie er seit Mascagnis Cavalleria rusticana hier nicht erlebt worden ist« (so eine Tageszeitung). Die mal mitreißende, mal leidenschaftliche, mal zarte Musik mit ihrem stimmungsvollen Lokalkolorit machte Tasca für einige Jahre zum angesehensten ›jungitalienischen‹ Komponisten in Deutschland neben Mascagni und Leoncavallo.
Ensemblemitglied Iordanka Derilova schlüpft in die Rolle der Verismo-Diva und durchsteht die zwei so gegensätzlichen Eifersuchtsdramen, die Mascagni und Tasca herauf beschwören. Regisseur Holger Potocki hat zusammen mit dem Opernensemble des Anhaltischen Theaters eine Deutung erarbeitet, die einen poetisch-surrealen Bogen von der Cavalleria zu A Santa Lucia schlägt. Und GMD Markus L. Frank erweckt mit der Anhaltischen Philharmonie die lange stumm gebliebene Musik zu neuem Leben.
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Musikalische Leitung Markus L. Frank
Inszenierung Holger Potocki
Dramaturgie Felix Losert
Bühnenbild Lena Brexendorff
Kostüme Katja Schröpfer
Chor Sebastian Kennerknecht
Cavalleria rusticana
Santuzza, ein junge Bäuerin KS Iordanka Derilova
Turiddu, ein junger Bauer Ray M. Wade, Jr.
Alfio, ein Fuhrmann KS Ulf Paulsen
Lola, seine Frau Cornelia Marschall
Lucia, Turiddus Mutter Rita Kapfhammer
A Santa Lucia
Ciccillo, ein Fischer Ray M. Wade, Jr.
Rosella KS Iordanka Derilova
Concettina, Ciccillos Schwester Cornelia Marschall
Totonno, Austernhändler, Vater von Ciccillo und Concettina KS Ulf Paulsen
Maria, Ciccillos Verlobte Rita Kapfhammer
Tore Cezary Rotkiewicz
Stimme eines Fischers David Ameln/Norbert Leppin
Opern- und Extrachor des Anhaltischen Theaters Dessau
Kinderchor des Anhaltischen Theaters Dessau
Anhaltische Philharmonie Dessau
Weitere Termine
Sonntag, 9.4.2017 — 17 Uhr
Samstag, 22.4.2017 — 17 Uhr
Samstag, 6.5.2017 — 18 Uhr
Sonntag, 28.5.2017 — 17 Uhr
Sonntag, 11.6.2017 — 16 Uhr