Der begnadete Schütze Wilhelm Tell grüßt keine Hüte. Zur Strafe muss er einen Apfel auf dem Kopf seines Sohnes durchlöchern. Er trifft, doch die geladene Waffe als Präventivmaßnahme wird ihm zum Verhängnis. Er befreit sich vom Gefangenenschiff durch einen Sprung ans rettende Ufer. Während die Bergbauern ihre Einigkeit beschwören, durchbohrt Tell die Obrigkeit in der hohlen Gasse. Seine Begründung: Notwehr in der Verteidigung der Freiheit. Die Schweiz wurde geboren – oder der Mythos Tell? Seit rund 700 Jahren wandert der historische und mythische Held Tell durch die politische und kulturelle Landschaft – nicht nur der Schweiz.
Der junge Regisseur Till Wyler von Ballmoos, selbst Schweizer und Musiker, untersucht in seinen Tell-Variationen die Motivik und die Resonanzen des Mythos. Friedrich Schillers Drama kommt dabei ebenso zum Einsatz wie Gioacchino Rossinis letzte Oper Guglielmo Tell; mittelalterliche Versionen des Mythos um den Freiheitshelden wider Willen, der sich gegen seinen König wehrt, werden mörderischen Wilhelm-Tell- Nachahmungen der Gegenwart gegenübergestellt. William S. Burroughs, amerikanischer Schriftsteller und Beat-Poet, erschoss am 6. September 1951 seine zweite Frau Joan Vollmer in Mexiko City versehentlich bei einem Wilhelm-Tell-Spiel. Diese persönliche Katastrophe war die Geburtsstunde des Autors Burroughs und mündete in der Veröffentlichung von Naked Lunch 1959. Warum lag der Apfel eigentlich auf dem Kopf seiner Frau und nicht auf seinem eigenen? Und welche Freiheit erschießen wir uns heute?
Alle Angehörigen der Schweizer Armee müssen ihre persönliche Waffe zwischen den Dienstleistungen mit nach Hause nehmen, um dem einzelnen Soldaten im Falle einer Kriegsmobilmachung zu ermöglichen, sich zu seinem Einrückungsort durchzukämpfen. Warum besitzt jeder Schweizer eine Waffe? Hat der Mythos Tell immer dann Hochkonjunktur, wenn politische Umwälzungen angesagt sind? Wie sähe eigentlich die Schweiz ohne Tell und Rütlischwur aus? Vielleicht wie in Christian Krachts futuristischem Roman Ich werde hier sein, im Sonnenschein und im Schatten, in dem eine sozialistische Schweiz gegen ein faschistisches Deutschland kämpft.
Im Finale kommt unter anderem Denis de Rougemont zu Wort: „Ob Tell existiert hat, ist im Grunde belanglos. Tell ist weniger der Vater der Schweizer als ihr Sohn, weniger ihr Vorfahre als ihr gemeinsames Werk. Das macht ihn umso wirklicher.“
Till Wyler von Ballmoos schloss 2004 sein Musikstudium mit dem Konzertdiplom für Violoncello an der Hochschule der Künste in Bern ab und studiert seit 2006 Musiktheaterregie an der Bayerischen Theaterakademie „August Everding“ in München. Er komponierte und produzierte Musik für Spielfilme sowie für Installationen und Theater. Seine Inszenierung Der Tod und das Mädchen – Ein Wiederhall war zum „Körber Studio Junge Regie“ 2011 in Hamburg und zu den Bayerischen Theatertagen 2011 in Bamberg eingeladen.
REGIE Till Wyler von Ballmoos
BÜHNE & KOSTÜME Eva Maria Bauer
MUSIK Samuel Stoll
DRAMATURGIE Michael Nijs
Mit Robert Besta
Klaus Cofalka-Adami
Gunnar Schmidt
Samuel Stoll