Maurice Ravels Bolero wurde bereits unzählige Male vertanzt und oft mit den ewig gleichen Bildern schwüler Erotik. Für Stephan Thoss ein Anreiz, leidenschaftliche Hingabe nicht schon wieder mit Jugendlichkeit und rassiger Schönheit zu assoziieren. Er überrascht mit einer humorvoll gegen den Strich gebürsteten Interpretation: Sechs ältere Damen treffen sich heimlich zum Kaffeekränzchen, eine scheinbar idyllische, ruhige Welt. Zu den Klängen von Max Raabes Palastorchester tauschen sie Nettigkeiten aus und genießen liebgewonnene Gewohnheiten. Doch dann bringt sich die angegraute Damenrunde mit Petits Fours und Ravels Bolero in Stimmung und zeigt dabei plötzlich ungeahnte Beweglichkeit und Ausgelassenheit. Der Rhythmus reißt sie schier mit sich – bis hin zum explosiven Finale.
Der Bolero wirkt wie ein Motor, der die sechs Tänzerinnen quasi ohne ihr
Zutun in Bewegung setzt, ihre Selbstkontrolle lahmlegt und im Eigensinn
der Körper die Wurzeln des Tanzens offenlegt. Die Deutsche Bühne
Ein absolut schräges Kaffeekränzchen, das auf umwerfend komische Art demonstriert, dass Leidenschaft kein Privileg der Jugend ist. Den Ladies der Tanzcompany gibt es die Gelegenheit, sich – über ihre tänzerischen Fähigkeiten hinaus – auch als Charakterisierungskünstlerinnen zu zeigen und ihr schauspielerisch-komödiantisches Talent unter Beweis zu stellen. Denn die sechs älteren Damen haben persönliche, mitunter recht bizarre Eigentümlichkeiten…
Choreographie, Bühne & Kostüme: Stephan Thoss
Der in Leipzig geborene ehemalige Tänzer schuf seine ersten eigenen Choreographien an der Semperoper Dresden, war Ballettdirektor der Bühnen der Landeshauptstadt Kiel und der Staatsoper Hannover und arbeitete vielfach als Gastchoreograph (u.a. für das Stuttgarter Ballett, das Bayerische Staatsballett, das Hamburg Ballett und das Nederlands Dans Theater II.) Sein Werk umfasst mittlerweile über 70 Produktionen. Er erhielt u.a. den Bayerischen Theaterpreis und 2007 für Giselle M. den FAUST in der Kategorie „Beste Choreographie“. Seit 2007.08 ist Stephan Thoss Ballettdirektor am Hessischen Staatstheater Wiesbaden.
Mit: Elisenda Cladellas Parellada, Laia Garcia Fernàndez, Marta Jaén García, Nadja Réthey-Prikkel, Clara Sorzano Hernández, Marie Stockhausen
Den ersten Teil des Tanzabends bestreiten die Gentlemen der Tanzcompany. Mit eigenen Choreographien präsentieren sie sich und ihre Kollegen dem Publikum: vielseitig, kreativ und voller Energie, wenn es heißt:
Bü h n e f r e i f ü r d i e Ch o r e o g r a p h e n d e r Z u k u n f t !
Mit: Andrea Bibolotti, Clément Bugnon, Carlos Contreras Ramirez, Serge Desroches Jr., Michal Douša, Yuya Fujinami, Andrii Lytvynenko
Bühne & Kostüme: Julia Scheeler
Ausstattungsassistentin am TLT
- Ego! – UA
Tanzstück von Andrea Bibolotti
Musik von Zoe Keating
Andrea Bibolotti umkreist in seiner Choreographie zu den Cello-Klängen Zoe Keatings das Phänomen EGO in seiner eher unsympathischen Ausprägung, wie wir es mit den Begriffen Egoismus, Selbstsucht und Egozentrismus assoziieren. Er beginnt jedoch beim Kind, das von Natur aus egozentrisch ist, sein muss. Noch ähneln sich die Vier auf der Bühne sehr – unbeeinflusst durch
äußere Einflüsse und Prägungen. Doch im Laufe des Stücks bleibt einer von ihnen in seiner Entwicklung stecken, nur auf seinen eigenen Vorteil konzentriert ist er unfähig, auf die anderen einzugehen, „tanzt“ sich beständig in den Vordergrund, bis er plötzlich merkt, dass ihm der
Hintergrund abhanden gekommen ist...
go on roots – UA
Tanzstück von Clément Bugnon
Musik von Oi-Va-Boi vs. Taraf de Haidouks, Balkan Beat Box u.a.
Clément Bugnon geht mit seinem Stück der modernen Gesellschaft auf den Grund: In den sich ständig im Wandel befindlichen Metropolen wissen die wenigsten Menschen noch, woher sie kommen, ohne dass ihnen etwas fehlt. Doch einem Einzelnen genügt das nicht. Er will wissen, woher er kommt, wo seine Wurzeln sind. Und er macht sich auf die Suche…
Crowd – UA
Tanzstück von Yuya Fujinami
Musik von Juno Reactor
Yuya Fujinami setzt sich in seiner achtminütigen Choreographie zu den treibenden Rhythmen von Juno Reactor mit dem Begriffskomplex „Crowd“ in allen seinen Bedeutungsebenen auseinander: Gedränge, Masse, Menschenmenge. Sechs Männer treffen aufeinander und beweisen, dass der
Mensch sich deutlich vom Tier unterscheidet – oder etwa nicht?
Weitere Vorstellungen:
Dezember: 11., 14., 30. – geschlossene Vorstellung
Jänner: 8., 13., 14., 17., 23., 27.