In dieser Produktion werden die Zuschauer in einem begehbaren Hörspiel durch den Stadtraum geführt.
Aus einem Mix seriöser und halbseriöser Datenerhebungen wird ein individueller Spaziergang der besonderen Art gestaltet, der die Teilnehmer das analoge Leben in der Fußgängerzone aus einem neuen
Blickwinkel betrachten lässt.
Bonsaisten leben freier, ihre Wünsche sind Teil einer Community, die ihnen dabei hilft, die richtigen Bausteine ihres Lebens zusammenzufügen. Die von Algorithmen errechneten und in der Gemeinschaft veröffentlichten Daten machen Entscheidungen so viel einfacher. Was esse ich, was ziehe ich an, wem möchte ich begegnen? Das sind noch die einfachsten Fragestellungen innerhalb eines Stadtspaziergangs, bei dem sich die Mauern der Häuser allmählich in Glas verwandeln und fremde Menschen dem Zuschauer Momente der Vertrautheit schenken. Überraschende Perspektiven werden eröffnet, alte Orte in ein neues Gewand gekleidet. Dem Zuschauer bislang unbekannte Menschen
werden über Daten plötzlich vertraut und zu möglichen Variablen in ihrem Leben. Daten sind sexy, Transparenz eine verführerische Utopie.
Wenn Facebook-Gründer Mark Zuckerberg »das Ende der Privatsphäre« ankündigt oder Telekom-Chef Timotheus Höttges prophezeit, dass »in Kürze der Unterschied zwischen Mensch und Computer aufgehoben sein« wird, steht dem Leser die Dystopie direkt vor Augen. Doch woher stammt dieses eigenartige Bedürfnis, die Privatheit zu schützen? Und sagt dieses Bedürfnis nicht einiges über den Stand von Moral und Toleranz in unserer Gesellschaft aus? Warum ist Transparenz einerseits ein gewünschter Effekt, in totaler Konsequenz aber gleichbedeutend mit Diktatur und Kontrolle? Wen
interessieren denn meine sexuellen Vorlieben wirklich? Oder müsste die Frage eher lauten: Welche normierende Moral führt dazu, dass jemand Macht mit diesen Informationen über mich ausüben könnte?
Das klingt abstrakt, berührt aber bereits thematisch im Kern genau das, was Theater ausmacht: das Spiel mit Geheimissen, die intime Offenbarung und das offensichtliche Rollenspiel. Deshalb hat es sich
Bonsai Bielefeld zur Aufgabe gemacht, eine Utopie im Sinne von Post Privacy zu erschaffen. Und der Zuschauer ist mittendrin.
Das ausgetüftelte Sounddesign von Vivan Bhatti verwandelt die Umgebung in eine futuristische Vision mit analoger Haptik. Der Zuschauer wird mit Kopfhörern auf die Reise geschickt, die ihm´bekannte Stadt wird mit Daten angereichert und der Blick auf das ihn umgebende, so sattsam bekannte, Stadtbild und die Menschen darin verändert. Die zentrale Frage, mit der dieses utopische Projekt eine komplexe Welt auf bestechend simple Art erfahrbar macht, lautet: Was wäre, wenn wir alles voneinander wüssten? Alles. Auch bei der ersten Begegnung. Macht es das Zusammenleben einfacher? Erledigen sich dadurch die vielen komplizierten Wege der Verständigung und der
Kommunikation?
Nils Zapfe, geboren 1982 in Berlin, absolvierte sein Schauspielstudium an der Westfälischen Schauspielschule in Bochum und war anschließend bis 2010 am Theater Bielefeld festes Ensemblemitglied. Hier arbeitete er mit Regisseuren wie Christian Schlüter, Marco Storman, Alexander Hawemann, Robert Borgmann, Michael Heicks, Matthias Kaschig, Jan Jochymski und Dariusch Yazdkhasti. Seit der Spielzeit 2010/11 ist Nils Zapfe freischaffender Schauspieler und Regisseur und arbeitet u. a. am Theater Magdeburg, den Sophiensaelen Berlin, am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin und auf Kampnagel in Hamburg. Nils Zapfe gehört zudem zum künstlerischen Leitungsteam der freien Theatergruppe Kulturfiliale, die sich dem Bespielen des Stadtraumes verschrieben hat.
Inszenierung und Konzept
Nils Zapfe
Bühne und Kostüme
Ramona Rauchbach
Komposition und
Sounddesign
Vivan Bhatti
Dramaturgie
Franziska Betz
Dariusch Yazdkhasti
Mit Carmen Priego // Guido
Wachter // Jakob Walser
Die nächsten Vorstellungen
25.03., 01.04., 19.04., 21.04.,
27.04., 06.05., 09.05.17; weitere
Termine folgen
Karten
0521 / 51 54 54
www.theater-bielefeld.de