Dieses Konzert wurde neben der Arbeit am "Figaro" im Winter 1785/86 vollendet. Bescheidener ohne Trompeten instrumentiert, ist es sehr durchsichtig gehalten, was in der schlanken Interpretation durch die Stuttgarter Philharmoniker auch deutlich wurde. Die selbstsichere Natürlichkeit des Formalen und Thematischen stach in der sensiblen Wiedergabe durch Eva Gevorgjan überzeugend hervor. Das Allegro besaß maßlose Heiterkeit und Helle, aber auch die "dunkleren Schatten" des Ernstes kamen nicht zu kurz. Die geheimnisvollen Zwischentöne und die farbige Harmonik fanden in dieser reifen Wiedergabe reichen Ausdruck. Ferner entlegene Tonarten waren ebenfalls dezent herauszuhören. Vielfarbig spiegelte sich dabei die Skala der Stimmungen in Halbverschwiegenem, aus dem sich das Hauptthema behauptete. Zwanglos antwortete diesem das zweite, und nicht weniger organisch fügte sich das dritte Thema ein, das für die knappe Durchführung bedeutungsvoll war. Großartig blitzte die Kadenz hervor. Beim Schlusswort des Orchesters strahlte pianistische Brillanz auf. Tiefe Resignation erfüllte das leidenschaftlich interpretierte Adagio, wo die Pianistin alle klanglichen Register zog. Alles schien ohne Hoffnung und Lichtblick zu sein. Der Siciliano-Rhythmus besaß starke Ausdruckskraft. Das Rondo-Finale, Allegro assai, war so heiter und geistvoll, dass das Publikum ganz außer Atem geriet. Im Mittelteil erinnerte ein Nachhall an das Adagio, doch eine höhere Ironie rückte alles in eine witzig funkelnde Sphäre, die die Pianistin hervorragend erfasste.
Als Zugabe spielte sie noch mit grandioser Leichtigkeit "La Campanella" von Franz Liszt, wo die klangliche Durchsichtigkeit, die Perfektion des Anschlags und die atemberaubenden Repetitionsfiguren verblüfften. Das dämonische Feuer des großen Geigenvirtuosen Paganini blieb hier ebenfalls spürbar. Dann erklang wieder als "Minutenstück" ein Werk der flämisch-belgischen Komponistin Eveline Vervliet als Uraufführung: "An Oddment for Orchestra". Schnipsel der Musikgeschichte werden dabei raffiniert verarbeitet. Glissando, Portamento und Pizzicato der Streicher wachsen zum eindringlichen Hörerlebnis zusammen. Die Stutttgarter Philharmoniker unter Remy Ballot interpretierten das Werk höchst konzentriert.
Höhepunkt des Abends war die dynamisch ausgewogene Wiedergabe von Anton Bruckners vierter Sinfonie in Es-Dur "Romantische", wo der Dirigent Remy Ballot bewegt und nicht zu schnell die Tiefen dieser Partitur auslotete. Wie aus grünem Schweigen der Waldesstimmung tauchte das Hornthema mit dem Quint-Intervall auf. Zart schwebte es weiter in ruhiger Fortspinnung, bis es zur Umkehrung kam. Im Bass schwoll die Bewegung zu wilder Urgewalt an. Zärtlich lockten die Vogelrufe in den Geigen das zweite Thema in den Bratschen herbei. Es mündete in eine neue Steigerung mit dem Schlussmotiv des ersten Themas - und stimmungsvoll leitete der erste Hornruf in die vielgliedrige Durchführung. Feierliche Krönung des Ganzen war ein Choral der Blechbläser, der die machtvolle Gegenstimme des Themenschlusses war. Die Coda mit dem Hornruf beschloss überaus wirkungsvoll diesen Kopfsatz. Sehr gut gelang bei dieser ausgereiften Wiedergabe auch der schlichte zweite Satz Andante quasi Allegretto. Unter stockender Streicherbegleitung stimmten die Celli den dunklen Trostgesang an, der bei Remy Ballot auch etwas Mystisches an sich hatte. Das Quint-Intervall ragte bedeutungsvoll hervor. Vogelrufe und Choralklänge sorgten für Beruhigung. Die wunderbare Bratschenmelodie zeigte bei den Stuttgarter Philharmonikern unter Ballot starke Intensität und Klangzauber - bis hin zum Doppelthema. Ein energischer Aufschwung in immer neuen Intervallen brachte neuen Glanz. Der Trostgesang steigerte sich zu großem Jubel, bevor das gläubige Lied über leisen Paukenschlägen heilig-entrückt ausklang. Im bewegten Scherzo tönten plötzlich Jagdhörner durch die Waldesstille.
Immer farbiger wurde die Kulisse dieser schillernden Jagdromantik. Eine besinnliche Bratschenmelodie erhielt eine geheimnisvolle Antwort des Horns. Das Trio gefiel mit einem Ländler aufgrund der transparenten Harmonierückung. Noch besser gelang das unheimliche Finale mit seiner Wolfsschluchtromantik. Bewegt, doch nicht zu schnell entfaltete sich die vielschichtige Harmonik. Ferne Hornrufe drohten in die Nacht hinein und verbreiteten Angst und Schrecken. Mit der Wucht des ganzen Orchesters wurde das Hauptthema herausgeschleudert. Aus seinen Intervallen wie aus seinem Fünfer-Rhythmus waren deutliche Beziehungen zum ersten Satz abzulesen. In umgekehrter Form beherrschte es mit dämonischer Gewalt das Geschehen. Und in gebieterischer Größe meldete sich der Hornruf wieder. Das zweite Thema mit der Melodik des zweiten Satzes sorgte für Beruhigung. Ein weit ausholendes Posaunenthema reckte sich empor, erreichte die Durchführung, die das Hauptthema umkehrte. An die neuen Themenprägungen hielt sich die Reprise und fasste Erinnerungen an den ersten und zweiten Satz zusammen, was Remy Ballot mit den Stuttgarter Philharmonikern überzeugend herausarbeitete. Mit langsamen, an Sergiu Celibidache erinnernden Tempi in den Streichern entfaltete sich die grandiose Coda.
"Bravo"-Rufe und tosender Schlussapplaus.