In ihrem provokanten und derb-humorigen Theatertext »geister sind auch nur menschen« gibt die Autorin Katja Brunner (*1991) endlich den Pflegeheimbewohnerinnen und Pflegeheimbewohnern eine Stimme, die, umsorgt von Pflegefachkräften und Pflegefachschwächen, mit ihren Bedürfnissen und Begierden, ihrer Lust und ihrem Lebenswillen von der Mitte der Gesellschaft nur noch träumen können. Kein Blatt nehmen sie mehr vor den Mund: Frau Heisinger, Frau Simplon und ein ganzes »Arsenal der Alten«. Vor den Scherben ihres bürgerlichen Lebens stehend, verpassten Chancen nachtrauernd, haben diese Lebenshungrigen wenig zu verlieren.
»geister sind auch nur menschen«, 2018 zum renommierten Heidelberger Stückemarkt eingeladen, stellt mit Empathie und markanter Sprache die Frage, wie es sich anfühlt, in dieser Gesellschaft zu altern. Es ist auch ein poetisches Aufbegehren gegen das negative Bild vom Alter an sich – und die Zumutungen des eigenen hinfälligen Körpers.
Regisseurin Karin Drechsel hat für ihre Inszenierung des Stücks am Theater Ulm als Vorbereitung viel recherchiert und eine Pflegerin interviewt. »Man kommt nicht hinterher« ist der Satz, der sich ihr eingebrannt hat, denn das System Pflege ist ein Lauf gegen die Zeit. Wie wird das im Podium aussehen? Karin Drechsel und Ausstatterin Christine Grimm haben sich für eine realistische Bühne entschieden. Wir blicken direkt in eine Pflegestation, spüren das Korsett eines Tages, sehen die Schönheit eines gesamten Lebens und hören wie kräftig Brunners musikalisch-poetischer Text dagegen geht. Die sechs Spielenden Rasmus Friedrich, Vincent Furrer, Christel Mayr, Henning Mittwollen, Frank Röder und Emma Lotta Wegner verkörpern nicht nur die »Pflegefachkräfte und Pflegefachschwächen«, sondern auch das »Arsenal der Alten«. Sie begeben sich also in die Zwischenwelt der uns umgebenden, sogenannten »geister« und geben diesen Entmündigten ihre Würde, Sichtbarkeit und Stimme zurück. Karin Drechsel will mit ihrer Inszenierung »den Menschen an den Menschen erinnern«, denn humanitär sein ist doch die Ur-Aufgabe des Theaters.
Inszenierung Karin Drechsel
Ausstattung Christine Grimm
Licht Kai Pflüger
Dramaturgie Natalie Broschat
Regieassistenz, Abendspielleitung, Inspizienz Dominique Dietel
Mit
Rasmus Friedrich (Pflegekräfte) Vincent Furrer (Pflegekräfte) Christel Mayr (Pflegekräfte) Frank Röder (Pflegekräfte) Henning Mittwollen (Pflegekräfte) Emma Lotta Wegner (Pflegekräfte)