Allein in Deutschland gibt es weit über eine Million Demenzkranke, Tendenz steigend. In einer Welt, die auf Wachstumsraten schaut, stellt Demenz eine gegenläufige Bewegung dar: Erinnerungen erlöschen aus dem Bewusstsein. Als fragende, herantastende Annäherung an das Thema Alzheimer versteht Alize Zandwjik ihre Arbeit „Amour“. Was bedeutet es, die Kontrolle über Körper und Geist zu verlieren und auf eine mehr oder weniger bewusste Art und Weise unseren Mitmenschen ausgeliefert zu sein? Und was bedeutet das für all jene, die dies beobachten müssen? Gibt es in der Mitte unserer Gesellschaft Platz für Menschen, bei denen Informationen nicht oder auf andere Weise haften bleiben? Wer kümmert sich und wie tut man das überhaupt? Und was spielt der Humor für eine Rolle in dem Ganzen? All diese Fragen stellen sich nicht zuletzt, weil beim Thema Alzheimer die schicksalhafte Schranke zwischen „gesund“ und „krank“ sinnbildlich wird: Wie gehen wir damit um, dass wir nicht wissen können, wie es sich anfühlt, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren?
„Im Titel ‚Amour‘ spiegelt sich die Haltung wider, mit der sich Alize Zandwjik mit dem Thema Alzheimer auseinandergesetzt hat“, erzählt Dramaturgin Viktorie Knotková, „Die Frage ‚Was bedeutet es, wenn der Mensch, den man liebt, entschwindet?‘, haben Team und Ensemble in der Probenzeit intensiv behandelt. So werden die vielen Facetten der Emotionen, die an Alzheimer Erkrankte und deren Angehörige in ihrem Alltag erleben, sichtbar: Von Sequenzen geprägt von Traurigkeit, Hilflosigkeit oder sogar Agressivität bis hin zu völlig absurden Momenten ist an diesem Abend alles drin, sodass es bei aller Ernsthaftigkeit auch etwas zu lachen gibt.“ Das Bühnenbild – eine altmodisch erscheinende Turnhalle – hat das Bühnenbildnerteam aus Thomas Rupert und Nanako Oizumi eindrucksvoll geschaffen. Maartje Teussink liefert den emotionalen Soundtrack zu diesem Stück. Die Choreografie macht Alltagsbewegungen abstrahiert erkennbar, ist geprägt von persönlichen Erfahrungen und großer Empathie.
Alize Zandwijk wurde 1961 in den Niederlanden geboren. Mit 18 Jahren begann sie ihr Regiestudium an der Theaterakademie in Kampen, wirkte zunächst in kleinen Theatergruppen in der Off-Szene mit und errang in den späten 1980ern überregionale Aufmerksamkeit mit einer Reihe von Jugendtheater-Inszenierungen. 1998 bildete sie mit Guy Cassiers die künstlerische Leitung des Rotterdamer Ro Theater, für deren gemeinsame Arbeit sie 2002 den Albert-van-Dalsum-Award erhielten. Zandwijks Inszenierungen am Ro Theater gastierten unter anderem bei den Wiener Festwochen, dem Edinburgh Festival, den Theaterformen in Hannover, dem Holland Festival TF-1 sowie den Autorentheatertagen Hamburg. Im Mai 2006 wurde sie Künstlerische Direktorin des Ro Theater. Seit 2003 inszeniert sie regelmäßig in Deutschland, unter anderem am Thalia Theater und am Deutschen Theater Berlin. Am Theater Bremen gab sie in der Spielzeit 2012/13 ihr Debüt mit Dea Lohers „Das Leben auf der Praça Roosevelt“. Mit „Golden Heart“ hat sie in der vergangenen Spielzeit – seit der sie den Posten der leitenden Regisseurin am Theater Bremen bekleidet – bereits ihre erstes spartenübergreifendes Stück am Theater Bremen auf die Bühne gebracht.
Regie Alize Zandwijk
Choreografische Mitarbeit: Samir Akika, Ulrike Reinbott
Bühne: Thomas Rupert / Nanako Oizumi
Kostüme: Anne Sophie Domenz
Musik: Maartje Teussink
Dramaturgie: Viktorie Knotková
Mit:
Marie-Laure Fiaux, Gabrio Gabrielli, Guido Gallmann, Nadine Geyersbach, Miguel de Jong, Mirjam Rast, Verena Reichhardt, Fania Sorel, Maartje Teussink
Weitere Termine unter www.theaterbremen.de