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"St. Kilda – Insel der Vogelmenschen"

St. Kilda, eine kleine Insel im nördlichen Atlantik, wurde 1930 nach jahrhunderterlanger Besiedlung von den letzten Bewohnern verlassen, deren Haupterwerbsquelle die Vögel waren. Ihre Federn dienten ihnen als Bett, die Eier und das Fleisch als Nahrung, die Exkremente als Heizmaterial. Das felsige, karge Land, von Windböen umtost, forderte eine starke Gemeinschaft. Von den Menschen wird berichtet, dass sie das Personalpronomen "ich" nicht kannten und dass sie sich nur kollektiv, d.h. synchron und im Chor auszudrücken vermochten. Erst der von einem Kapitän mitgebrachte Spiegel soll sie mit dem Ich bekannt gemacht haben. Diese Geschichte einer verschwundenen, fast vergessenen Zivilisation am Rande Europas diente nun als Grundlage für ein europäisches Gemeinschaftsprojekt, an dem sich fünf Staaten beteiligten (Stornoway, Schottland; Valenciennes, Frankreich; Mons, Belgien; Hallstatt, Österreich und Düsseldorf, Deutschland). An den ersten Aufführungsabenden wurden live Bilder aus St. Kilda dazugeschaltet, die an den anderen Abenden aus der Retorte kamen.

 

Wie die Insel von der Brandung des Meeres umtobt wird, so saß der Zuschauer in der Oper St. Kilda inmitten des Geschehens, das sich rund um ihn und über ihm abspielte. Die moderne, kühle Architektur des überdachten Atriums zwischen den Gebäuden Zollhof 11 und 13 in Düsseldorf diente der Aufführung als Kulisse und bildete zwar einen starken Kontrast zu der kargen, ja rauhen Landschaft der Insel St. Kilda, ließ aber mannigfache Reminiszenzen an ein vom Meer geprägtes Leben zu. So etwa, wenn die Sänger und Sängerinnen wie in der Reling oder am Mast eines Schiffes hingen, sie sich an Seilen herabließen und dabei wie Vögel in der Luft zu schweben schienen.

 

Die Oper schildert die einfache Lebensweise eines verschwundenen Volkes und will die Erinnerung daran wachrufen. Das Gemeinschaftsleben, aber auch ein zärtliches, anrührendes Liebespaar wird gezeigt, die Vogeljagd und die Schiffahrt mit ihren Risiken verdeutlicht. Erinnerungen werden zu Anekdoten und verdichten sich zu Sagen, die von längst vergangenen Zeiten erzählen und deren Wahrheitsgehalt mitunter angezweifelt werden darf. Dramatischer Höhepunkt ist die Frage, ob man die Insel verlassen soll oder nicht, nachdem schon so viele gegangen sind. Auch diese Entscheidung wird kollektiv gefällt. 1930 haben die letzten Menschen St. Kilda verlassen und das wird mit historischen Fotos auf der Übertragungswand dokumentiert. Musikalisch rankt sich alles um die von einer Sängerin auf St. Kilda gesungenen gälischen Volkslieder, die vom Düsseldorfer Chor aufgenommen und weitergesponnen werden. Die Komposition wird vom großartig agierenden Chor dominiert, weist neben den gälischen Liedern und ihren modernen Adaptionen aber auch Cellosoli auf.

 

Die spektakuläre, großartige Inszenierung mit faszinierenden Bildern und einer wunderbaren Choreographie hätte jedoch ein bedeutenderes Libretto verdient, das vielleicht stärker noch auf den Einbruch der Zivilisation, das damit einhergehende Zerfallen der Gemeinschaft und die Individualisierung hätte eingehen können, um damit der doch allzu poetischen Schilderung etwas mehr Dramatik entgegenzusetzen. Auf die Tanzeinlagen hätte man sich im Übrigen eine bessere Sicht gewünscht.

 

Aufführungen als 6 Tage Oper vom 21.6. – 27.6.07 in Düsseldorf, Zollhof 11 und 13

 

Idee und Konzeption: Lew Bogdan (F)

Musik: David Paul Graham (GB), Jean-Paul Dessy (B)

Textentwurf / Libretto: Iain Finlay Macleod (GB)

Gesamtkoordination: Malcolm MacLean (GB), Lew Bogdan (F)

Extremchoreographie: Geneviève Mazin, Fabrice Guillot (Retouramont Dance Company, F)

Regie: Frank Schulz (Theater Kontra-Punkt, Düsseldorf, D)

 

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