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SCHWEIZER ERSTAUFFÜHRUNG: WORTE GOTTES - DÖRFLICHE TRAGIKOMÖDIE VON RAMÓN MARÍA DEL VALLE-INCLÁN, LUZERNER THEATERSCHWEIZER ERSTAUFFÜHRUNG: WORTE GOTTES - DÖRFLICHE TRAGIKOMÖDIE VON RAMÓN...SCHWEIZER...

SCHWEIZER ERSTAUFFÜHRUNG: WORTE GOTTES - DÖRFLICHE TRAGIKOMÖDIE VON RAMÓN MARÍA DEL VALLE-INCLÁN, LUZERNER THEATER

PREMIERE: FREITAG, 2. MÄRZ 2012, 19.30 UHR. -----

Die «erdig trübe, barfüssige Schattengestalt» Juana la Reina besitzt nicht viel. Ihr einziges Kapital ist ihr

Sohn, ein wasserköpfiger Zwerg, den sie auf Jahrmärkten zur Schau stellt.

Die Kreatur, die sabbernd und fauchend in einem Schweinetrog auf Rädern sitzt, ist eine kleine Goldgrube, die den Neugierigen und Barmherzigen immer wieder Almosen aus der Tasche lockt. Als Juana stirbt, entbrennt ein Streit um das lukrative Erbteil. Die beiden Schwägerinnen, denen «el idiota» nun zufällt, einigen sich schliesslich darauf, abwechselnd mit ihm über Land zu ziehen. Doch während die eine nur schlecht verdient, geht die andere ganz und gar in der Vermarktung des Elends auf – und nutzt obendrein die Möglichkeit, aus dem Bett ihres Mannes in die Arme des Gauners Lucero zu flüchten …

 

Geboren im Jahr 1866, gestorben 1936, zählt der Autor Ramón María del Valle-Inclán in seiner Heimat

Spanien zu den bedeutendsten Wegbereitern der literarischen Moderne. Was er in seinen Stücken zu

Papier bringt, sind pralle, barocke, dem Volkstheater abgelauschte Geschichten: archaische Dorfwelten

zwischen katholischer Litanei und heidnischem Aberglaube – eine dramatische Ursuppe, bevölkert von

grellen, schwermütigen und zwielichtigen Gestalten, aber auch von sprechenden Hunden, gefiederten

Propheten und haarigen Bocksgeistern. Im deutschsprachigen Raum sind Valle-Incláns Theatertexte

bisher weitgehend unbekannt geblieben. In Luzern kommt das das 1920 entstandene Stück «Worte

Gottes» in Zusammenarbeit mit zwanzig Mitgliedern lokaler Theatervereine auf die Bühne.

 

Ramón María del Valle-Inclán (1866-1936) ist in seiner Heimat Spanien eine bekannte Figur – und galt

schon seinen Zeitgenossen als kuriose Berühmtheit. Der gebürtige Galicier mit der Don Quijote-Frisur

führte fast sein ganzes Leben lang die Existenz eines Hungerkünstlers. Sein Outfit, sein provokantes

Auftreten, sein Hang zur Cholerik und seine beissende Kritik an allen Institutionen machten ihn – im

beginnenden 20. Jahrhundert – zum Bürgerschreck und zu einer der schillerndsten Gestalten der

blühenden Kaffeehaus-Kultur Madrids. Hierzulande ist Valle-Inclán ein Geheimtipp geblieben. Seine

Stücke sind fast unbekannt und werden selten gespielt – auch weil sie lange als unaufführbar galten. Denn was der exzentrische Bohémien in seinen Theatertexten versammelt, sind spanische Dorfwelten in riesenhafter Besetzung. Dennoch passen Valle-Incláns Stücke viel besser in die Innerschweiz, als der

entfernte Schauplatz dies vermuten liesse. Seine Dorfgeschichten wurzeln tief in der Volkstheatertradition der iberischen Halbinsel und klingen – in ihrer Mischung aus Katholizismus und Volksfrömmigkeit – gerade in der Innerschweiz exotisch und bekannt gleichermassen. Galicien ist weit, und doch ganz nah!

 

Die vom Schauspielleiter Andreas Herrmann betreute Inszenierung von Ramón María del Valle-Incláns Stück «Worte Gottes» beschert dem Luzerner Theater eine Premiere in mehrfacher Hinsicht. Denn zum einen entdeckt die Schauspielsparte mit diesem Projekt einen hierzulande nahezu unbekannten Dramatiker. Zum anderen werden neben den Schauspielerinnen und Schauspielern des Ensembles erstmals zwanzig Mitglieder lokaler Theatervereine aus Luzern und Umgebung auf der Bühne stehen. Sie alle kommen in kleineren und grösseren Sprechrollen zum Einsatz und bringen aus ihren Heimatbühnen in Cham, Sempach, Giswil, Sarnen und vielen anderen Orten die Spielenergie des Innerschweizer Volkstheaters mit in das Projekt. Der spanische Kosmos von Valle-Incláns «dörflicher Tragikomödie» wird so zum bunten Reigen einer langen Reihe unverwechselbarer Figuren.

 

Andreas Herrmann (Inszenierung),

Max Wehberg (Bühne),

Sabin Fleck (Kostüme),

Alan Bern (Musik),

Martin Baumgartner (Sound Design),

Gérard Cleven (Licht),

Dr. Bernd Isele (Dramaturgie)

 

BESETZUNG

Daniela Britt, Antoinette Graf, Alma Herrmann, Paula Herrmann, Renata Kälin, Wiebke Kayser, Ephanie

Koch, Sylvie Kohler, Agnes Köpfli, Juliane Lang, Mariella Pfyffer, Bettina Riebesel, Edith Walthert Kramis,

Cecile Zwyssig; Alan Bern, Jörg Dathe, Christian Eberli, Hans-Caspar Gattiker, Roland Graf, Jakob

Grünenfelder, Jürg Huber, Elmar Hürlimann, Karl Köpfli, Ludwig Krummenacher, Christoph Künzler,

Erwin Reinhard, Hajo Tuschy, Jürg Wisbach, Samuel Zumbühl

 

VORSTELLUNGEN

4.3. | 9.3.  16.3.  21.3.  22.3. | 25.3.  30.3.  5.4.  15.4.  22.4. | 29.4.(letztmalig)

 

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