
Das "Sol-Ei" stand dabei im Mittelpunkt des Geschehens. Es blickt auf eine lange und bewegende Karriere zurück. Es war Begleiter vieler dionysischer Abende, sorgte für politischen und kulturellen Austausch. Rausch, Freude, Freundschaft, Einsamkeit, Hoffnung und Sorge vereinigten sich hier zu einem besonderen Kosmos intensiven kulinarischen Erlebens. Das Publikum wurde mit einem "Theater im Theater des Theaters" konfrontiert, das es in sich hatte. Mit Texten von Borchert bis Zille und Musik von Tom Waits bis Billy Joel wurden die goldenen 20er Jahre des letzten Jahrhunderts mit unserer Gegenwart in durchaus reizvoller Weise verbunden.
"Auf dem Nachhausewege 1945" sinnierte Wolfgang Borchert über "Apfelblüten" am Fenster eines Wirtshauses am Steinhuder Meer. Da sang dann sogar Claire Waldoff im Jahre 1913 "Wer schmeißt denn da mit Lehm". Die beiden recht gewitzten Herren ließen Figuren der Vergangenheit in Form von Handpuppen Revue passieren. "Pils-Gerd" alias Christopher Wittkopp und "Malteser-Olsen" alias Oliver Köhler stellten nicht nur den Stammgast Wolfgang "Wolle" vor, der klassische Literatur liebte und seiner alten Liebe Rosi nachtrauerte. Dieser "Lady Rosi" gedachten die beiden Moderatoren voller Hintersinn und Noblesse. Man erfuhr, dass sie nicht nur eine "Femme fatale", sondern auch eine Mutter der Einsamen, Oma der Kleinsten und originelle Tresendame war. "Sol & Ei" stellten sich als konserviertes Tanz-Duo vor, das zappelig für Furore sorgte. Als Kastrat der Oper zu Monza präsentierte sich Francesco di Modena, der eingentlich Max hieß, mit einem "Ave Maria". Diesem Gipsformer Max schnitt seine Frau Juste in einem Anfall von Wut und Verzweiflung die Eier ab, weil sie ihn nackt mit einer anderen Frau in Flagranti erwischte! Sie hieß seither "Boll'njuste".
Kalle, der kleine Tod, stieg krächzend aus dem Geigenkasten und wirkte als Skater und Philosoph ziemlich verbraucht. "Es geht um unsere Eier", stellten die beiden Conferenciers fest. Zwischen einem alten Grammophon und einem "Hungerturm" stopften sie erfinderisch das "Kulturloch". Man erfuhr außerdem über die Sybille, dass sie als Thekenmutti und Madonna ein Orakel der Wahrheit darstellte. Da standen dann sogar kleine Vitrinen mit Rollmöpsen auf dem Tresen. Die DDR-Hymne unterstrich plötzlich das "Sol-Ei" in seiner ganzen Faszination. "Wie konnte es kommen, dass das Sol-Ei so unterging?" lautete die rhetorische Frage. "Oma Gerda's Sol-Eier" konnten da auch nicht die letzte Antwort geben, obwohl das Rezept überaus lecker war. Der Zauber des Einmachglases mit Bügelverschluss und der Prise eines unbekannten Gewürzes war unbeschreiblich!
Wegen der Kneipen-Kultur riefen die Protagonisten sogar noch das Europäische Parlament an. Und die goldenen 20er Jahre lebten im "Sol-Ei-Koch-Studio" wieder auf. Man erfuhr dann auch, wie heftig Sophisten und Pfaffen darüber stritten, ob die Henne oder das Ei zuerst geschaffen worden sei. Das älteste "Sol-Ei" sei übrigens im Grab des Tutanchamun gefunden worden. Damit seien dem Weg des "Sol-Eis" zum Unesco-Weltkulturerbe natürlich keine Grenzen gesetzt. Zuletzt wurde ein Ei sogar aus dem Kasten geholt und zu einer riesigen Gestalt aufgeblasen: "Keine Angst, es kann nur platzen!" Dieses etwa ein Meter fünfzig große, erdrückende Ei füllte fast den gesamten Raum aus und besaß viel heiße Luft. So ging dieser recht vergnügliche und ungewöhnliche Kneipen-Abend amüsant zu Ende.