Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Schauspiel Frankfurt: "Deutschland 2020. Ein Wintermärchen" Eine Heine-Skizze von Regina Wenig mit dokumentarischen Texten von Seda Ardal, Tamara Ikharev, Jonatan Avadov u.a.Schauspiel Frankfurt: "Deutschland 2020. Ein Wintermärchen" Eine...Schauspiel Frankfurt:...

Schauspiel Frankfurt: "Deutschland 2020. Ein Wintermärchen" Eine Heine-Skizze von Regina Wenig mit dokumentarischen Texten von Seda Ardal, Tamara Ikharev, Jonatan Avadov u.a.

Premierenvorstellungen am 20. und 27. September 2020, 16.00 Uhr, Box

»Im traurigen Monat November war’s…« als Heinrich Heine zu einer letzten Reise von Frankreich nach Deutschland aufbrach. Station für Station auf dem Weg zu seiner Mutter zeichnet er ein messerscharfes Bild seiner Heimat. Heine – in Deutschland wegen seiner jüdischen Herkunft angefeindet – beschreibt das Land, das ihm nach Jahren des Exils in Frankreich so fremd wie nah ist, aus der Perspektive seines eigenen Zwiespalts: als reaktionäres Land, geprägt von Militarismus und Nationalismus mit einer Sprache, wie sie nicht schöner sein könnte (wenn man sie so zum Klingen bringt wie Heine).

Heines Motive sind Heimat, Staat, Religion, Ausgrenzung und Identität – es sind Fragen, die noch immer unsere Diskurse bestimmen und auch heute so explosiv sind, wie sie es für den politischen Autor Heine 1843 waren.

Die Regisseurin Regina Wenig unternimmt auf Basis von Heines Versepos eine theatrale Reise durch das Deutschland unserer Zeit und spiegelt mit dokumentarischem Textmaterial die heutige Wirklichkeit an Heines poetischen Bildern. Für das Stück hat mit Menschen unterschiedlicher Generation und Herkunft gesprochen und diese Texte in ihr Stück integriert.

Das Thema der Grenze, das für Heine, der von Deutschland aus ins französische Exil flüchtete, eine persönliche aber auch übergeordnete Rolle spielte, führt der Text eng mit Interviewpassagen eines Anwalts für Asylrecht, der über die Ankunft seiner Mandant*innen berichtet: Geflüchtete, die in Frankfurt ankommen.

Das Stück reist durch die Zeit und bewegt sich dabei in Wellenbewegungen vor und zurück. So gelangt es zum zweiten Weltkrieg. Hier spricht ein Zeitzeuge, über die brutalen letzten Tage des Kriegsendes vor 75 Jahren. Das Schwerpunktthema des Schauspiels - „Rassismus und Antisemitismus“ -  ist in dieser Stückentwicklung vielfach abzulesen. Erschreckend konkret werden die Ereignisse von Hanau 2020 im Bericht von Seda Ardal. Die gebürtige Hanauerin hat nach den Anschlägen die Initiative „19. Februar“ gegen das Vergessen mitbegründet hat. Das Regieteam hat sie  in der Begegnungsstätte in Hanau getroffen und mit ihr über das Attentat und die Folgen gesprochen.

Tamara Ikharev und Jonatan Avadov, aktive Mitglieder des Jugendzentrums AMICHAI der jüdischen Gemeinde, werfen mit ihren Statements Schlaglichter auf das Leben jüdischer Jugendlicher hier und heute in Frankfurt.

Regina Wenigs Stück webt ein Geflecht unterschiedlicher Zeiten und Stimmen so ineinander, dass Reibungen, Widersprüche und Überraschungen entstehen und reflektiert gleichzeitig, wie sehr Rassismus und Antisemitismus damals wie heute in unserer Gesellschaft präsent sind – und wie wichtig es ist, dies nicht zu verschweigen, sondern sichtbar zu machen.

mit Vanessa Bärtsch*, Nora Solcher*
*Mitglieder des Studiojahr Schauspiel

Regie Regina Wenig
Bühne Marius Baumgartner
Kostüme Marielle Sokoll
Dramaturgie Katja Herlemann, Katrin Spira

die nächste Vorstellung: 13. Oktober, 20.00 Uhr

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 14 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

LEIDENSCHAFTLICHE STEIGERUNGEN -- SWR Symphonieorchester mit Jukka-Pekka Saraste im Beethovensaal der Liederhalle STUTTGART

Zwei höchst unterschiedliche Werke standen im Mittelpunkt dieses Konzerts mit dem SWR Symphonieorchester unter der inspirierenden Leitung des finnischen Dirigenten Jukka-Pekka Saraste. Zunächst…

Von: ALEXANDER WALTHER

FASZINIERENDE MINIATUREN -- Internationale Hugo-Wolf-Akademie: Lied & Melodie" in der Staatsgalerie Stuttgart

Liederabend mit Stephane Degout (Bariton) und Cedric Tiberghien (Klavier). Hier wurden vier unterschiedliche Komponisten klanglich miteinander verbunden, deren Ausdruckstiefe immer wieder…

Von: ALEXANDER WALTHER

PLÖTZLICH GIBT ES ZWEI KOBOLDE -- "Meister Eder und sein Pumuckl" mit der Jungen Württembergischen Landesbühne Esslingen in der Kelter Bietigheim

"Niemand muss an Kobolde glauben". Davon ist Meister Eder überzeugt. Julian Häuser und Philip Spreen schlüpfen virtuos in unterschiedliche Rollen. In der Bühnenfassung und Regie von Jan Müller (Bühne…

Von: ALEXANDER WALTHER

SONGS IN UNGEWÖHNLICHEM ARRANGEMENT -- Orchesterkonzert Jewish Pop im Schauspielhaus STUTTGART

In den vergangenen Jahren war "Jewish Jazz" der Schwerpunkt. Nun erkundet das 2005 gegründete Jewish Chamber Orchestra Munich unter der einfühlsamen Leitung von Daniel Grossmann die Popmusikgeschichte…

Von: ALEXANDER WALTHER

UNHEIMLICHE VERWANDLUNGEN -- "Der Untergang des Hauses Usher" mit dem Studiengang Figurentheater der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart im Wilhelma Theater Stuttgart

Sehr viele technische Tricks und faszinierende Einfälle besitzt diese gelungene Produktion des Studiengangs Figurentheater. In der suggestiven Regie von Stephanie Rinke können sich die gespenstischen…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑
StartseiteBeiträgeKritikenHintergründeTheatermacherServiceFachbegriffeSuche