Der heroische Rhythmus konnte sich gut entfalten. Ihm wurde nach kanonischer Fortspinnung ein elegisches Seitenthema gegenübergestellt, das der Pianist sehr formschön gestaltete. Die kühne Durchführung des dritten Motivs blieb ebenfalls stark in Erinnerung. Im Andante konnte sich aufgrund des sensiblen Spiels von Kantorow ein altdeutsches Minnelied vom Niederrhein in ergreifender Weise behaupten. In der zweiten Strophe erschien ein ausdrucksvolles Liedthema im Bass, dessen poetische Wirkung bei dieser ausgefeilten Wiedergabe nicht nachließ. Auch die Mondscheinpoesie kam wirkungsvoll zur Geltung. Aus seiner Schlusskadenz wuchs thematisch ein Scherzo in e-Moll in wuchtiger Weise heran. Der Oktavenbrillanz wurde Alexandre Kantorow ebenfalls gerecht. Das Finale gestaltete der Pianist insgesamt am überzeugendsten. Durch rhythmische Umwandlung entfaltete sich in geheimnisvoller Weise das Grundmotiv. Alexandre Kantorow interpretierte es feurig und mitreissend, geradezu atemlos. Auch die zahlreichen dynamischen Kontraste wurden immer wieder wirkungsvoll ausgeleuchtet. Jugendlichen Überschwang beherrschte vor allem auch das Finale, wo durch rhythmische Umwandlung aus dem Hauptthema des ersten Satzes das Grundmotiv kunstvoll entwickelt wurde. Auch die verkürzte Rondo-Form wurde hier deutlich. Insbesondere die Wucht der Coda erfasste Alexandre Kantorow in grandioser Weise. Anklänge an Mendelssohns "Lieder ohne Worte" ergaben sich von selbst.
Sehr überzeugend gestaltete der junge Pianist auch die Transkriptionen Franz Liszts von Franz-Schubert-Liedern. So fesselten "Der Wanderer" aus "Zwölf Lieder von Franz Schubert", "Der Müller und der Bach" aus "Müllerlieder von Franz Schubert", "Frühlingsglaube" aus "Zwölf Lieder von Franz Schubert" sowie "Die Stadt" und "Am Meer" aus "Schwanengesang - Vierzehn Lieder von Franz Schubert" mit einem überaus poesievollen, fast sphärenhaften Anschlag, der sich bei den zahlreichen Figurationen, Girlanden und Kaskaden immer mehr verfeinerte. Ausgedehnte Arpeggien (vor allem bei "Die Stadt"), kurze und scharfe Akzente, zartes Staccatissimo und die reiche Ausnutzung der harmonischen Pedalwirkung sorgten bei dieser Interpretation für ein hohes Maß an Intensität. Aber auch der sensible lyrische Anschlag kam hier nie zu kurz und bestach immer wieder durch irisierende Wirkungskraft.
Zum Abschluss folgte noch eine hervorragende Wiedergabe von Franz Schuberts "Wanderer-Fantasie", wo Kantorow die fast sinfonischen Dimensionen dieser Komposition voll erfasste. Das Thema, das diesem Werk zugrundeliegt, steht in dem Lied "Der Wanderer" nach einem Gedicht von Schmidt von Lübeck, das Schubert schon im Jahre 1816 komponiert hatte. Und der vollgriffige akkordische Klaviersatz erschien als Thema des Adagio-Satzes in erhabener Größe. Das Hauptthema und das Seitenthema des ersten Satzes erhielten sehr klare Konturen. So kam es bei der ausgefeilten Wiedergabe zu einer vollkommenen harmonischen Einheit und zu einer berührenden Verschmelzung der terzverwandten Tonarten C-Dur, cis-Moll, E-Dur und As-Dur. Das erste Allegro geriet zur atemlosen Sturmmusik, das die Zuhörer sofort mitriss. Auch der zweimal in Arpeggien geheimnisvoll aufrauschende verminderte Septimenakkord zeigte eine klare harmonische Bewegung. Und das melodisch ausgesponnene Seitenthema in E-Dur wurde in betörender Intensität dargeboten. Die C-Dur-Wendung führte das Hauptthema dann nicht übertrieben zurück. Die Variationen des Adagio-Teils wurden nicht nur bei der schwebenden Passage zwischen E-Dur und cis-Moll in ihrer ganzen Tiefe ausgeleuchtet. Leidenschaftlich drängend erschien die cis-Moll-Begleitung. Die Liedmelodie hallte leise in Cis-Dur und E-Dur nach - dumpfe Tremolo-Effekte erreichten eine fast gespenstische Wirkung. Ausgezeichnet erfasste Alexandre Kantorow dann das Finale als Fuge, deren Polyphonie sich überaus kunstvoll auflöste.
Ovationen und "Bravo"-Rufe. Als Zugabe interpretierte Kantorow noch einen Ausschnitt aus dem "Italien-Zyklus" (Annees de pelerinage, Petrarca-Sonett 104) von Franz Liszt. Hier ist noch eine Steigerung an Wucht und spieltechnischer Brillanz möglich.