Auch das zweite Stück "Grain/Stream" für zwei Klaviere, zwei Schlagzeuger und Elektronik (2023) von Giulia Lorusso überzeugte weitgehend aufgrund feingliedriger Klavierrepetitionen, wobei das Durchdringen von Raum und Zeit immer deutlicher wurde. Wahrnehmungen führten hier in beeindruckende Zwischendimensionen.
Demgegenüber fiel "In My Heart, And Still" für Performer, zwei Klaviere, zwei Schlagzeuger und Elektronik von Bakudi Scream als weiterer Kompositionsauftrag des SWR deutlich ab, auch wenn dieses Werk als Liebesgeschichte bezeichnet wird, die der Architekt Prince erzählt. Diese Figur zeigt sich als tragischer Cyborg, der aus einer Synthese von Rüstung, Romantik, Fleisch und Kybernetik erschaffen wurde. Die Komposition lässt jedoch den Eindruck erscheinen, als ob es sich hier um ein Sammelsurium von verschiedenen Geräuschkulissen handelt.
Als weiterer Kompositionsauftrag des SWR und Time:Spans überraschte "Black Dwarf" für zwei Schlagzeuger, zwei Synthesizer und Zuspiel (2023) von Olga Neuwirth mit einem sehr strengen rhythmischen Konzept. Auch hier kam es allerdings zu gewaltigen dynamischen Steigerungen, wobei die harmonischen Blöcke in fulminanter Weise aufeinanderprallten. Die Bakudi Scream Performance sorgte hier für inspirierenden Drive.
Nach diesem Vormittagskonzert im Bartok-Saal folgte in den Donauhallen im Strawinsky-Saal die Verleihung des Karl-Sczuka-Preises für Hörspiel als Radiokunst an Martin Brandlmayr für sein Stück "Interstitial Spaces". Der Förderpreis ging an Leona Jones für "babblesnatch". Und das Karl-Sczuka-Recherchestipendium in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut erhielt Katharina Zimmerhackl für "Soliloquy with Ape". Bei Brandlmayr bilden kurze Audioausschnitte aus Filmen, TV-Werbung, Studioaufnahmen und Field Recordings die Grundlage. Das ist durchaus spannend anzuhören. Die 2-Kanal-Version von "babblesnatch" (Leona Jones) ist die komprimierte Fassung einer 8-Kanal-Audioinstallation, die für die Wiedergabe in einem halbdunklen Raum konzipiert ist. Das Werk ist eine abstrakte Montage. Das Projekt "Selbstgespräch mit Affe" von Katharina Zimmerhackl schließlich untersucht die Grenze zwischen Mensch und Tier. In mehreren Kapiteln entfaltet sich ein fiktives Gespräch zwischen einem historischen Objekt und einer literarischen Figur. SWR-Intendant Kai Gniffke sprach die Laudatio.
Beim Abschlusskonzert in der Baarsporthalle mit dem SWR Experimentalstudio und dem SWR Symphonieorchester unter der inspirierenden Leitung von Ingo Metzmacher waren ebenfalls drei Stücke recht unterschiedlicher Qualität zu erleben. Das kurze, aber expressive Werk "Frau, warum weinst du? Wen suchst du?" für Orchester der südkoreanischen Komponistin Younghi Pagh-Paan bezieht sich auf jene Worte, die Jesus an Maria von Magdala richtet, die an seiner leeren Grabhöhle weint. Tremolo-Passagen, Pizzicati, Streicher und Paukeneinsätze illustrieren dieses Geschehen fast meditativ.
"Tune and Retune II" der italienischen Komponistin Francesca Verunelli lauscht den inneren Klängen mit eindrucksvollen Glissando-Passagen, chromatischen Finessen, raffinierten Pizzicati und einer ungeheuren dynamischen Steigerung nach. Der Übergng von einer mikroskopischen zu einer makroskopischen Welt wird harmonisch eindringlich nachgezeichnet. Francesca Verunelli erhielt übrigens für dieses Stück den Preis des SWR Symphonieorchesters.
Zum Abschluss gab es mit dem grandiosen Pianisten Roger Admiral ein äusserst explosives, aber auch monotones Konzert für Klavier, Orchester und Elektronik von Steven Kazuo Takasugi, wo Staccato-Attacken, sphärenhafte Klangflächen und Glissando-Passagen manchmal unvermittelt nebeneinander stehen. Man vermisst jedoch stellenweise bei extremer Lautstärke eine strukturelle Entwiclung. Für diese letzte Uraufführung gab es allerdings auch "Buh"-Rufe im Publikum.
In der Erich-Kästner-Halle konnte das Publikum in einer meditativen Selbsterkundung die Symphonie No. 3 für 220 kabellose Lautsprecher (2019-2023) des polnischen Komponisten Wojtek Blecharz hören und erleben. Ein Punkt wird hier mit einem anderen Punkt verbunden. Möglichkeitsfelder, Themen und Kategorien werden in suggestiver Weise erkundet. Fazit: Wieder haben sich die Donaueschinger Musiktage als Festival der Zukunft erwiesen. Die Schirmherrschaft hat Heinrich Fürst zu Fürstenberg.