Die Selbstbeweihräucherung der Kunstszene nimmt Kate Strong ironisch auf die Schippe. Das scheinbar nicht enden wollende Name-dropping von illustren Regisseuren und Choreographen kehrt sie um, indem sie behauptet von diesen allen gefeuert worden zu sein, was natürlich impliziert, dass sie zunächst erst einmal von ihnen engagiert worden sein muss, gleichzeitig damit andeutend, verkannt und irgendwie besser zu sein. Als ganz arroganter Diva kann ihr natürlich auch das Publikum nicht Genüge tun. Mit diesem heiteren Auftakt beginnt die Trilogie von Caroline Lamaison über das Phänomen des Narzissus.
Im zweiten Teil überschreitet Annabelle Chambon die Grenzen der Selbstbespiegelung, indem sie typische Posen der Sexindustrie ausprobiert. In hochhackigen Schuhen, mit langen blonden Haaren, in hautenger Kleidung stolziert sie einher, allein aufgrund ihres selbstbewussten Gehabes karikiert sie die typischen Rollenmuster und wird vom Sexobjekt eher zum Subjekt, um sich alsdann in ein hermaphroditisches Wesen mit animalischen Trieben zu verwandeln. Hier hätten dann zwei Wölfe ihren Auftritt gehabt, deutsche Tierschutzgesetze wussten das zu verhindern, so dass das Publikum sich mit Wolfsgeräuschen begnügen musste. Ekstase und Grenzüberschreitung der eigenen Rollenmuster - das ist die Quintessenz des zweiten Teils.
Der dritte Teil scheint irgendwo in der Zukunft zu spielen, löst sich völlig von vorgegebenen Denkmustern und erreicht eine schwer zu durchschauende Abstraktion. Allen drei Teilen gemeinsam ist die feministische Suche nach einem neuen Rollenverständnis. Extrem und mutig so präsentierte Caroline Lamaison ihre "Narcisses"-Triologie im Tanzhaus NRW, dem das Publikum begeistert Beifall zollte.
Choreografie, Text: Coraline Lamaison; mit: Kate Strong, Annabelle Chambon, Els Deceukelier; Jérôme Souillot, Musik: Pierre Jodlowski; Bühne, Requisite: Jérôme Souillot; Lichtdesign: Harry Cole; Assistenz: Nadine Lamaison.
27. und 28. Oktober 2012