Die andere Kultur, sowie die grundverschiedenen Bedingungen und Bedeutungen, die das Theater in beiden Gesellschaften hat, werden in der Begegnung zum Anlass, die eigenen Grenzen und Gewohnheiten zu hinterfragen. Als literarischer Ausgangspunkt wurde der Mythos von Medea gewählt, eine der frühesten Kolonialerzählungen überhaupt. Der brasilianische Autor Alexandre Dal Farra und die deutsche Autorin Tine Rahel Völcker haben für das Projekt Texte geschrieben, die gleichermaßen Fremdheit und die Sehnsucht nach Übereinstimmung zum Thema machen. Dal Farra versucht in seinem Text „Die neuen Argonauten“ sich in die Situation heutiger europäischer Kultur-„Argonauten“ zu versetzen, die nach Brasilien reisen, auf der Suche nach dem „Goldenen Vließ“, eine Suche, die sich als Flucht vor der eigenen Geschichte entlarvt.
Tine Rahel Völcker stellt in „Medea und Glauke“ eine brasilianische Medea einer europäischen Glauke gegenüber. Beide Autoren verständigten sich auf einen Rollentausch: Der Perspektivwechsel ist Prinzip, die Unmöglichkeit der anderen Seite gerecht zu werden ebenso. Es geht darum, die eigene Sicht auf das Andere bewusst zu untersuchen. Mit ihren Versuchen, die Sehnsüchte, Hoffnungen und Projektionen – und die von ihnen abweichende Realität der jeweils anderen Seite darzustellen, werfen Autoren und Schauspieler durch die Folie des Fremden den Blick zurück auf das eigene Land: Deutschland im Spiegel brasilianischer und Brasilien im Spiegel deutscher Wahrnehmung.
Eine erste Projektphase fand im Sommer 2008 in São Paulo statt. Mit der Präsentation am 1. und 2. Juli 2009 im Gorki Studio wird die zweite Projektphase abgeschlossen. Sechs Wochen waren die Schauspieler von „Tablado“ auf Einladung des MGT Berlin und mit der Unterstützung von Sponsoren, Goethe-Institut und Kulturstiftung des Bundes zu Gast in Deutschland. Im Sommer 2010 wird das Projekt in São Paulo und Dresden fortgesetzt.
Neben dem Goethe-Institut São Paulo und der Kulturstiftung des Bundes unterstützt das Maxim Gorki Theater Berlin dieses Projekt als Versuch einer nachhaltigen Theaterarbeit. Denn das Ziel von „Haut aus Gold“ ist nicht die schnelle Produktion eines multikulturellen Theaterabends, sondern die Arbeit an der Differenz. Damit ist „Haut aus Gold“ Teil einer Reihe von langfristig angelegten Kooperationsprojekten des MGT Berlin mit interdisziplinärem und internationalem Charakter, wie der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern im Rahmen des Langzeitprojekts „Über Leben im Umbruch“ und der Kooperation mit dem Stary Teatr Krakow.
HAUT AUS GOLD / PELE DE OURO - Ein Perspektivwechsel von Tablado de Arruar (São Paulo) in Koproduktion mit dem MGT Berlin in brasilianischer und deutscher Sprache. Übersetzt von Senia Hasicevic und Alexandre Krug
Mit: Martha Kiss, Ligia de Oliveira, Alexandra Tavarez, Antje Trautmann; Clayton Mariano, Kai Meyer, Felipe Riquelme, Vitor Vieira
Regie: Tilmann Köhler, Bühne: Karoly Risz, Kostüme: Gilvan Coelho de Oliveira, Musik: Jörg-Martin Wagner, Produktionsleitung: Senia Hasicevic