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"Männerphantasien" auf Grundlage von Klaus Theweleits gleichnamigem Buch - Deutsches Theater Berlin

Premiere am 01.12.2023, 19:30 Uhr, Box

In den 1970er Jahren, als über faschistische Täterschaft in der deutschen Gesellschaft noch weitgehend geschwiegen wurde, legte der Kulturwissenschaftler Klaus Theweleit mit Männerphantasien eine bahnbrechende Analyse der Zusammenhänge von Männlichkeit und Faschismus vor: Basierend auf Freikorps-Literatur der 1920er Jahre, dachte er hellsichtig das destruktive Selbst- und Frauenbild des „soldatischen Mannes“ zusammen und stellte mit der Verquickung von Sexualität, Gender und Gewalt die Entstehung des Nationalsozialismus in ein neues Licht.

Copyright: Jasmin Schuller

Etwa 45 Jahre nach der Ersterscheinung nimmt sich Regisseurin Theresa Thomasberger Theweleits Werk als Sprechtext für die Bühne vor: Die epochale Untersuchung bildet für sie und ihr Team die Grundlage für eine Befragung heutiger Ausprägungen von Fascho-Männlichkeit, von der Abwertung von Frauen* in der medial geprägten Wirklichkeit bis hin zu aktuellen abgründigen Formen von Kollektivität.

Denn: Während das Ideal vom „starken Mann“ einerseits überholt scheint, bringen Kriege neue Kämpfergestalten hervor; stürmen selbstermächtigte Horden politische Institutionen und befeuern den autoritären Backlash. Auch online wird Gleichberechtigung als Unterdrückung empfunden: So glaubt die Incel-Community – unfreiwillig ohne Sex lebende Männer – sie hätte aufgrund ihres Geschlechts ein Recht auf Frauen und Sexualität; wütende Alpha-Males und frauen*feindliche Pick-Up-Master beschwören unerreichbare Männlichkeitsvorstellungen und verzweifeln zugleich an ihnen. Anstatt diese Ideale zum Problem zu erklären, wird die Angst vor feministischem Widerstand geschürt, der sich zeitgleich mit großer Kraft ereignet.

Wie wirken Theweleits Texte heute? Welche Anknüpfungspunkte bieten sie? Um das zu ergründen, haben die Dramatikerinnen Svenja Viola Bungarten, Ivana Sokola und Gerhild Steinbuch die Männerphantasien textlich ergänzt und aus heutigen, weiblichen Perspektiven weitergedacht.

Gerhild Steinbuchs Text portraitiert in poetischer Sprache eine Tätermutter: eine Frau, deren Sohn sexualisierte Gewalt gegen Frauen ausübt, der zum Täter wird und damit das Selbst- und Fremdbild seiner Mutter erschüttert. In Ivana Sokolas Beitrag befragt ein erschöpfter Männersprechchor die eigene Zugehörigkeit in der Gesellschaft und sucht zwischen Gesangsverein, freiwilliger Feuerwehr und Angelurlaub nach seinem Platz. Svenja Viola Bungarten beschäftigt sich mit den rechten Rändern der Internetkultur: in ihrem Text berichtet eine Influencerin ihren Followern von ihrer persönlichen Verwandlung – von raging feminist zu trad wife.

MIT NEUEN TEXTEN VON Svenja Viola Bungarten, Ivana Sokola und Gerhild Steinbuch

MIT Svenja Liesau, Daria von Loewenich,  Abak Safaei-Rad, Isabel Schosnig, Caner Sunar   

REGIE Theresa Thomasberger
BÜHNE UND KOSTÜME Mirjam Schaal
MUSIK Oskar Mayböck
LICHT Peter Grahn
DRAMATURGIE Lilly Busch

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