Die Gäste relaxen entspannt. Die Hausdame pflegte bisher schnell wechselnde Liebesbeziehungen, hat sich nun aber ernsthaft in Ruggiero verliebt. Mit unsauberen Mitteln hat Alcina ihn gefügig gemacht und in Liebesbande geschlagen, denn sie ist Zauberin und verwandelt alles nicht Fügsame in Tiere, Blumen oder Steine. Nur zu dumm, dass Ruggiero bereits verlobt ist und seine Verlobte Bradamante sich auf den Weg gemacht hat, ihren verlorenen Ruggiero zu suchen. Mit ihrem Eintreffen beginnt der Liebesreigen, und die Karten mischen sich neu.
In ihrer Inszenierung von Friedrich Georg Händels Oper „Alcina“ versucht Lotte de Beer Alcina psychologisch zu ergründen. Sie stellt sie nicht so sehr als machtbesessene Zauberin dar, sondern als verletzliche Frau, die ein frühes Trauma zu verarbeiten hat und immer wieder scheitert. Auch ihre Schwester Morgana lässt sich auf Liebeshändel ein, weiß aber geschickter zu lavieren. Alcina ist die Einzige, die in dem Gewirr der Täuschungen alles verliert, ihrer Zauberkraft beraubt wird. Von Liebeskummer geschlagen kauert sie zum Schluss in eine Decke eingekuschelt auf dem Sofa. Aller Zauber ist verflogen.
Lotte de Beer lotet die Gefühle von Liebe, Eifersucht, Leidenschaft, Wut, Enttäuschung und Trauer genau aus. Sie bleibt dabei nicht nur bei den unmittelbaren persönlichen Gefühlsäußerungen und –regungen, wenn z.B. Alcina körperliche Reaktionen zeigt und buchstäblich einknickt, sondern findet auch Bilder für die inneren Reflexionen. So stellt sie Alcina in einer Szene eine junge und eine alte Frau an die Seite, die zeigen, was war und was sein wird, Vergangenheit und Zukunft. Auch die übrigen Personen sind charaktertypisch gezeichnet, zu nennen wäre da Maria Carla Pino Cury als linkischer Junge Oberto und Shira Patchornik als flatterhafte, kesse Morgana. Das alles ist überaus spannend anzusehen und es entwickelt sich ein Sog, dem man sich als Zuschauer nicht zu entziehen vermag.
Aber nicht nur die szenische Umsetzung weiß zu überzeugen, sondern auch die gesangliche und musikalische Interpretation. Mit der Neuen Düsseldorfer Hofmusik unter der Leitung von Axel Kober hat man ein Ensemble engagiert, das bestens mit Barockmusik vertraut ist. Ein Genuss! Jacquelyn Wagner als Alcina, sowie die bereits erwähnte Shira Patchornik als Morgana sind überragend. Und selbst die Nebenfigur des Melisso ist mit Benjamin Pop eindrucksvoll besetzt.
Das Publikum bedankte sich mit euphorischem Applaus für diese überaus gelungene und sehr berührende Aufführung.
"Alcina" von Georg Friedrich Händel
Dramma per musica in drei Akten HWV 34
Libretto von einem unbekannten Bearbeiter nach dem Libretto von Antonio Fanzaglia zu der Oper „L’isola di Alcina“ von Riccardo Broschi nach dem 6. und 7. Gesang aus dem Epos „Orland furioso“ von Ludovico Ariosto
Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: Lotte de Beer
Bühne: Christof Hetzer
Kostüme: Jorine van Beek
Licht: Alex Brok
Video: fettFilm
Konzeptionelle Mitarbeit: Peter te Nuyl
Dramaturgie: Anna Melcher
Alcina: Jacquelyn Wagner
Ruggiero: Maria Kataeva
Morgana: Shira Patchornik
Bradamante: Wallis Giunta
Oronte: Andrés Sulbarán
Melisso: Beniamin Pop
Oberto: Maria Carla Pino Cury
Orchester: Neue Düsseldorfer Hofmusik
Premiere Freitag, 14. Februar 2020, um 19.30 Uhr im Opernhaus Düsseldorf