Eine wenig erfolgreiche Uraufführung und eine Berlioz zutiefst verunsichernde Tatsache ließen ihn die Partitur umgehend wieder zurückziehen: Berlioz hatte sein Werk an Goethe persönlich geschickt und um eine Rückmeldung gebeten. Dieser zeigte sich interessiert und übergab die Partitur zur Prüfung an einen Vertrauten, den Komponisten Carl Friedrich Zelter. Auf dessen vernichtendes Urteil hin hielt sich Goethe schließlich zurück und Berlioz erhielt nie eine Antwort. Es sollte einige Jahre dauern, bis sich der Komponist 1845 dem Stoff erneut zuwandte, zu diesem Zeitpunkt lag die Uraufführung seiner „Symphonie fantastique“ bereits 15 Jahre zurück. Berlioz plante nun eine „opéra de concert“ und bearbeitete zu diesem Zweck Nervals Faust-Übersetzung (unter Mithilfe des Co-Librettisten Almire Gandonnière) selbst.
Der Titel von Berlioz' Werk kündigt bereits eine Weiterentwicklung bzw. eine gewisse Interpretation des Faust-Mythos an: „Fausts Verdammnis“ ist keine Eins-zu-eins-Übertragung von Goethes Faust, da sich die Partitur auf vier Figuren beschränkt und als Schauplatz des ersten Aktes außerdem die Ungarische Tiefebene einführt. Berlioz kommentierte diesen Kunstgriff im Vorwort zu seinem Werk mit den Worten: „Warum, wird gefragt, ließ der Autor seinen Helden nach Ungarn reisen? Weil er Lust hatte, ein Stück Instrumentalmusik mit einem ungarischen Thema hören zu lassen. Er gibt dies aufrichtig zu.“ Berlioz griff dabei auf den ungarischen Rákóczi-Marsch zurück, der als inoffizielle Hymne von Ungarn gilt und sowohl in Funk und Fernsehen als auch bei offiziellen Anlässen noch heute quasi zum Zeremoniell gehört.
Für seine Faust-Vertonung bearbeitete Berlioz selbstverständlich die Orchestrierung und gliederte den Marsch so in seine Komposition ein. La Damnation de Faust wird in der Edition nun als „Dramatische Legende“ geführt, vereint Stilmittel der Oper mit jenen der Sinfonie und des Oratoriums und macht neben Faust, Mephisto und Margarethe den Chor zum gleichberechtigten Protagonisten des Abends. Dem formalen Charakter der Komposition entsprechend wurde diese vorerst, am 6. Dezember 1846, an der Opéra comique in Paris konzertant uraufgeführt; die erste szenische Aufführung folgte erst 1893 an der Oper von Monte Carlo.
La Damnation de Faust war auf den Opernspielplänen der letzten Jahrzehnte – im Gegensatz zu Charles Gounods Faust – kaum zu finden. Aktuell scheint es jedoch einen gewissen „Trend“ hin zu diesem Werk zu geben: 1999 gelangte es etwa in der Regie von Carlos Padrissa, bekannt als Kopf des katalanischen Kollektivs „La Fura dels Baus“, und unter der Musikalischen Leitung von Sylvain Cambreling im Rahmen der Salzburger Festspiele zur Aufführung. Alleine in den letzten beiden Jahren gab es mehrere äußerst prominente Aufführungen, darunter an der Opéra National de Paris (Musikalische Leitung: Philippe Jordan, Inszenierung: Alvis Hermanis) und an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin (Musikalische Leitung: Simon Rattle, Inszenierung: Terry Gilliam).
Das Landestheater Linz bringt La Damnation de Faust nun in Koproduktion mit der Opéra de Lyon auf die Bühne: Die Inszenierung hatte bereits im Herbst 2015 in Lyon Premiere und kehrt nun auf der Bühne des Linzer Musiktheaters in einer Neueinstudierung wieder. Die Produktion ist somit Auftakt für das Bestreben von Intendant Hermann Schneider, im Bereich des Musiktheaters verstärkt auf internationale Koproduktionen zu setzen. Hector Berlioz' La Damnation de Faust ist zudem die zweite Opernproduktion, die Markus Poschner am Landestheater Linz nach der erfolgreichen Premiere von Richard Strauss' Die Frau ohne Schatten als neuer Chefdirigent des Bruckner Orchesters leiten wird.
Es inszeniert der junge ungarische Regisseur David Marton, der am Anfang seiner Karriere mit Arbeiten an der Berliner Volksbühne und in den letzten Jahren vor allem durch Schauspiel-Adaptionen von Opernstoffen an den Münchner Kammerspielen Furore gemacht hat. Die Arbeit an klassischen Operninszenierungen beschäftigt ihn noch nicht allzu lange, erst seit dem Jahr 2015, und in diesem Bereich ist er vor allem der Oper von Lyon verbunden, die gerade vor kurzem von der Zeitschrift „Opernwelt“ zum Opernhaus des Jahres gewählt wurde. La Damnation de Faust am Landestheaters Linz ist David Martons erste Inszenierung an einem deutschsprachigen Opernhaus.
„In Berlioz’ Musik inspiriert und fasziniert mich die Mischung aus Schönheit und Freiheit: Man hört und fühlt, dass er jegliche Grenzen von Form und Gattungskonvention sprengt. Berlioz ist ein zentraler Vorreiter für die Freiheit der Kunst.“ (David Marton)
Text vom Komponisten und Almire Gandonnière
Nach Johann Wolfgang von Goethe
In französischer Sprache mit französischen und deutschen Übertiteln
Koproduktion mit der Opéra de Lyon
- Musikalische Leitung Markus Poschner
- Inszenierung David Marton
- Bühne Christian Friedländer
- Kostüme Pola Kardum
- Lichtdesign Henning Streck
- Dramaturgie Barbara Engelhardt, Magdalena Hoisbauer
- Nachdirigat Martin Braun
- Chorleitung Martin Zeller
- Faust Charles Workman*, Chris Lysack
- Marguerite Jessica Eccleston
- Méphistophélès Michael Wagner
- Brander Dominik Nekel
* Premierenbesetzung
Chor und Extrachor des Landestheaters Linz
Kinder- und Jugendchor des Landestheaters Linz
Statisterie des Landestheaters Linz
Bruckner Orchester Linz
Die weiteren Vorstellungstermine: 6., 8., 16., 26. Februar; 2., 11., 15., 24., 27. März; 1., 5., 8., 18., 24. April 2018