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„GESCHÖPFE“ von Ben J. Riepe im Tanzhaus NRW in Düsseldorf

Oktober 2020

Auf der dunklen Bühne stehen Bäume und Sträucher in Kübeln, die als erstes von einem Performer verrückt werden. An der rechten Bühnenseite finden sich aufgehäuft Körperteile von Schaufensterpuppen, die sich im Laufe des Abends vermehren und auch ein blinkendes Eigenleben entwickeln werden.

 

Copyright: Tanzhaus NRW

Die Performer treten in einem altertümlich strengen Kostüm auf, so sind sie in schwarze lange Röcke und weiße Blusen mit Rüschenkragen gekleidet. In einer Szene erscheinen sie als geheimnisvolle, dunkle Gestalten in schwarze bodenlange Gewänder mit überdimensionalen Kapuzen gehüllt, dann wieder entkleiden sie sich vollständig und stellen in Cranachscher Pose Adam und Eva nach. Auch werden vereinzelt Masken von Wolf und Steinbock getragen.

Das Volkslied „In einem kühlen Grunde“ nach einem Text von Joseph von Eichendorff wird gesungen und verfremdete Frequenzen aus Mendelssohn-Bartholdys „Sommernachtstraum“ sind zu hören. Zusätzlich hat Gordon Kampe neue Musik komponiert. Neben Gesang sind aber immer wieder auch nur einzelne, sich wiederholende Laute zu hören, manchmal werden auch Tierlaute nachgeahmt.

Expliziert sprachlich thematisiert wird die Problematik, sich als Verbraucher mit Hilfe von Bio-Produkten umweltgerecht und nachhaltig zu verhalten. Auch die derzeit wieder aktuelle Diskussion über die Geschlechterfrage wird angeschnitten und findet ihre scheinbare Lösung in dem Begriff „genderlos“, der als der neueste Großstadt-Hype präsentiert wird.

In gut zwei Stunden macht Ben J. Riepe in einer transmedialen Oper den Zuschauer mit seinem kreierten Universum bekannt, in dem die Performer als Wesen zwischen Mensch und Tier agieren, eben „Geschöpfe“ sind. Er präsentiert Gedankensplitter zum menschlichen Sein im 21. Jahrhundert, beschäftigt sich mit der Befindlichkeit des Menschen in seiner Umwelt mit allem Behagen und Unbehagen, seinem Ringen um einen Platz in der Welt. Dabei bedient Riepe sich aus dem kulturgeschichtlichen Repertoire quer durch alle Zeitalter von der Antike mit dionysischen Ritualen über das Liedgut der Romantik bis zur medialen Gegenwart, meist ernsthaft, manchmal etwas albern. Seine gewagte Zusammenstellung ist schwer zu deuten. Etwas ratlos bleibt daher der Zuschauer zurück, sich fragend, wie er denn all diese Eindrücke zusammenfügen soll. Aber offenbar ist genau diese Art von Irritation gewollt, soll es keine Eindeutigkeit geben, - ein verfremdeter Spiegel der realen Welt, die sich ja auch nicht einfach kategorisieren lässt.

Konzept, Choreografie: Ben J. Riepe
Komposition: Gordon Kampe
Choreografische Assistenz: Victor Zapata

Performance: Eray Gülay, Jolinus Pape, Paula Pau, Waithera Schreyeck, Igor Sousa, Leonie Türke

Live-Musik: Shaghayegh Shahrabi (Oboe), Enrico Taubmann (Saxophon); Stimmbildung: Carolina Rüegg;
Bühne, Licht: Ben J. Riepe, Philipp Zander;
Skulpturen: Moran Sanderovich, RaumZeitPiraten
Kostüm: Ben J. Riepe, Margit Koch
Technische Leitung: Philipp Zander
Technik: Manfred Nücken, Moritz Büto
Film: Alexander Basile, Kurt Heuvens
Foto: Alexander Basile, Ursula Kaufmann
Projektleitung: Jessica Prestipino
Konzeptionelle Recherche: Janine Blöß
Social Media: Daniel Ernesto Müller
Management, Kommunikation: Nassrah-Alexia Denif
Koordination: Izaskun Abrego

Eine Produktion der Ben J. Riepe Kompanie in Koproduktion mit dem tanzhaus nrw, gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, das Kulturamt der Landeshauptstadt Düsseldorf, die Kunststiftung NRW, den Fonds Darstellende Künste und BTHVN 2020.

 

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