Unbequeme Fragen zu bequemen Gewissheiten werden gestellt sowie Verdrängungen aufgedeckt. Sprachlose Geschichte in einer deutschen Familie thematisiert Sören Hornungs Familiendrama „Sieben Geister“ und damit die Premiere des Chemnitzer Theaterpreises für junge Dramatik 2018 in der Regie von Laura Linnenbaum (zuletzt u. a. am Staatsschauspiel Dresden „Homohalal“, Staatstheater Kassel „Ein Sommernachtstraum“). Die deutsche Geschichte steht exemplarisch für das verdrückte Schweigen allerorten, welches sich als Krankheit in Körper und soziale Beziehungen einschreibt. Völlig egal, ob es sich nun um den im Stück benannten deutschen Krieg handelt, einen jugoslawischen, finnischen oder ukrainischen. Wenn (zutiefst verletzende) Erfahrungen nicht ausgesprochen und im besten Fall verarbeitet werden können, vererben sie sich. Irgendwann und irgendwo platzen die Wunden wieder auf. Wer sich in Europa nicht für Abschottung und die Verschärfung von Konflikten entscheiden will, wird um eine sensible Aussprache nicht umhin kommen.
„Silence Of The Woodchucks“ des Theaters Divadlo pod Palmovkou aus Prag nimmt sich in witziger und überdrehter Weise der Geschichte Tschechiens an. Die Heldin erkrankt am „Scouting“ und erfährt am eigenen Leibe, was es bedeutet gegen die jeweiligen Götter, seien es die alten aus Letna oder die sozialistischen, anzukämpfen. – Diese beiden genannten Inszenierungen werden jeweils an einem Abend nacheinander gezeigt.
Unter dem Stichwort „Junges Europa“ kommen Schauspielstudierende aus Bern, Linz, Graz, Anklam, Timișoara und Chemnitz mit ihren erfrischenden bis konfrontativen Inszenierungen und Projekten zusammen. Linz prüft, ob Brechts „Sezuan“-Parabel noch etwas über kapitalistische Ökonomie mitzuteilen hat, Timișoara seziert mit Ionescos „Die Unterrichtsstunde“ die Inszenierung von Macht und Bern stellt höchst unbequeme Fragen zum unverdienten Reichtum Europas. Damit sind nur einige Inszenierungen genannt.
Nachfolgend: Programm und Infos zu den Stücken
Das Programm
Freitag, 11. Mai 2018
20.00 Uhr, Schauspielhaus / Ostflügel
Premiere des Chemnitzer Theaterpreises für junge Dramatik 2018
Sieben Geister
Familiendrama von Sören Hornung (Uraufführung)
Schauspiel Chemnitz / Deutschland
22.00 Uhr, Schauspielhaus / Kleine Bühne
Silence Of The Woodchucks
Totalitärer Horror über Fallgruben von Tomáš Dianiška
Divadlo pod Palmovkou Praha / Tschechien (Mit deutscher Übertitelung)
23.30 Uhr, Schauspielhaus / Theaterclub
Come together I
Premierenfeier, Inszenierungs- und Arbeitsgespräche
Samstag, 12. Mai 2018
16.00 Uhr, Schauspielhaus / Kleine Bühne
Die Grandiose Komödie von der nicht ganz unverdienten vollkommenen Vernichtung menschlicher Existenz, Episode III
Eine Kammerschlacht für 4 Erdlinge von Lukas Lippeck
Hochschule der Künste Bern / Schweiz
18.00 Uhr, Schauspielhaus / Ostflügel
Alice im Wunderland
Von Roland Schimmelpfennig nach Lewis Carroll
Theaterakademie Vorpommern / Deutschland
20.00 Uhr, Schauspielhaus / Kleine Bühne
Ungehalten
Nach Christine Brückners Bestseller „Wenn du geredet hättest, Desdemona“
Kunstuniversität Graz / Österreich
22.30 Uhr, Schauspielhaus / Theaterclub
Nur die Wurst hat zwei
Ein Spiel im Angesicht des Todes
Schauspielstudio Chemnitz / Deutschland
23.30 Uhr, Schauspielhaus / Theaterclub
Come together II
Festivalparty, Inszenierungs- und Arbeitsgespräche
Sonntag, 13. Mai 2018
18.00 Uhr, Schauspielhaus / Kleine Bühne
Silence Of The Woodchucks
Totalitärer Horror über Fallgruben von Tomáš Dianiška
Divadlo pod Palmovkou Praha / Tschechien (Mit deutscher Übertitelung)
20.00 Uhr, Schauspielhaus / Ostflügel
Chemnitzer Theaterpreis für junge Dramatik 2018
Sieben Geister
Familiendrama von Sören Hornung (Uraufführung)
Schauspiel Chemnitz / Deutschland
22.00 Uhr, Schauspielhaus / Theaterclub
Come together III
Inszenierungs- und Arbeitsgespräche
Montag, 14. Mai 2018
17.00 Uhr, Schauspielhaus / Kleine Bühne
Die Unterrichtsstunde
Einakter von Eugène Ionesco
West-Universität Timișoara, Hochschule für Musik und Theater / Rumänien (In deutscher Sprache)
19.00 Uhr, Schauspielhaus / Hinterbühne
jetzt erst brecht
Szenen aus Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“
Anton Bruckner Privatuniversität Linz / Österreich
21.00 Uhr, Schauspielhaus / Ostflügel
Und in den Nächten liegen wir stumm
Schwarze Poesie von Thomas Freyer
Schauspielstudio Chemnitz / Deutschland
22.30 Uhr, Schauspielhaus / Theaterclub
Come together IV
Inszenierungs- und Arbeitsgespräche und Schlussworte
***
Die Stücke
Premiere des Chemnitzer Theaterpreises für junge Dramatik 2018
Sieben Geister
Familiendrama von Sören Hornung (Uraufführung)
Schauspiel Chemnitz / Deutschland
Oma ist tot – Zeit schmutzige Wäsche zu waschen. Es ist der Tag ihrer Beerdigung und die Soljanka längst kalt. Als Omas Lieblingssohn Frank eintrifft, ist er unausstehlich. Offen provoziert er seine Schwester Elise und legt sich mit dem dementen Onkel Wolfgang an. Mit Kanonen auf Spatzen? Nur scheinbar. – Elise hatte zuletzt die Mutter voller Selbstaufgabe gepflegt, Frank als Werbefilmer notwendiges Geld beigesteuert, Onkel Wolfgang sich in die Ferne verdrückt und Franziska, Franks Tochter, sich leidlich mit Drogen über Wasser gehalten. Geredet wurde kaum, das quasselnde Schweigen blieb der ständige Begleiter der Familie, die ganze Verbogenheit ihres Lebens unter der Decke gehalten von Oma, dieser starken Frau. Doch viel wäre zu erzählen gewesen: von der Besetzung Deutschlands durch die Russen, vom Aufbau der DDR und seiner notwendigen Grenze, von Franks Freundin Bettina, die ums Leben kam, von Onkel Wolfgangs Unschuld und Oma Ursulas mitleidloser Härte.
Sören Hornungs neues Stück spannt anhand dreier Generationen einen Bogen von 1945 bis heute. Es erzählt aus der Perspektive einer Familie vom Erbe sprachloser Geschichte und vom haltlosen Leben ohne Erfahrung. Seine genau gezeichneten Figuren – allesamt Erben des Unglücks – sind in Gefahr zu verblassen oder auf die falschen Feinde loszugehen. Erst die Enkelgeneration revoltiert, zunächst mit Selbstzerstörung, dann mit der konkreten Frage nach der Ursache der familiären Aggressivität und Lethargie.
Die deutsche Geschichte steht exemplarisch für das verdrückte Schweigen allerorten, das sich als Krankheit in Körper und soziale Beziehungen schreibt. Völlig egal, ob es sich nun um den im Stück benannten deutschen Krieg handelt, einen jugoslawischen, finnischen oder ukrainischen. Wenn (zutiefst verletzende) Erfahrungen nicht ausgesprochen und im besten Fall verarbeitet werden können, vererben sie sich. Irgendwann und irgendwo platzen die Wunden wieder auf. Wer sich in Europa nicht für Abschottung und die Verschärfung von Konflikten entscheiden will, wird um eine sehr sensible Aussprache nicht umhin kommen.
Regie: Laura Linnenbaum
Bühne und Kostüme: Valentin Baumeister
Mit: Magda Decker, Ulrike Euen, Christine Gabsch, Christian Ruth, Horst Damm
Silence Of The Woodchucks
Totalitärer Horror über Fallgruben von Tomáš Dianiška
Divadlo pod Palmovkou Praha / Tschechien (Mit deutscher Übertitelung)
Das Divadlo pod Palmovkou aus Prag etablierte unter seinem Dach eine kleine, aber feine Experimentierbühne, die sich überregional längst einen Namen gemacht hat. Die überdrehte wie kraftvolle Inszenierung „Silence Of The Woodchucks“ wurde in Tschechien nicht nur als „Erfolg des Monats“ geehrt, sondern mittlerweile zu zahlreichen nationalen Festivals eingeladen.
Bei der neunzehnjährigen Bedřiška tauchen plötzlich merkwürdige Symptome auf. Sie kann ohne Pepas Hilfe Feuer machen und kennt unvermittelt alle Flaggen, die einst hoch im Himmel wehten. Ärzte, Psychologen und Psychiater sind ratlos. Die einzige Möglichkeit, das Mädchen zu retten, scheint in der alten Praxis des Exils zu liegen. Denn es besteht kein Zweifel, das unglückliche Mädchen ist vom „Scouting“ besessen ...
„Silence Of The Woodchucks“ zieht spielfreudig einen Bogen vom Heute über die Zeit des Sozialismus in der ČSSR bis hin zu den alten Tagen, als die Statuen der Götter in Letna standen und die einfachen Leute sich unter ihrer Grausamkeit duckten. Nur wenige Menschen vermochten es je, den Göttern zu widerstehen und sie zu bekämpfen. – Charaktere und Handlungsstränge der Inszenierung sind echt und zugleich frei erfunden. Historische Ereignisse werden mit jener bitteren Ironie angespielt, die in der Wiederholung der Geschichte liegt. In mal trashig-überdrehten, mal leisen und berührenden Szenen spielen sich die hervorragenden tschechischen Schauspieler/innen das Herz aus dem Leib.
Regie: Jan Frič
Ausstattung: Lenka Odvárková
Musik: F. X. Kalba
Mit: Barbora Kubátová, Tereza Dočkalová, Tomáš Dianiška, Jan Hušek
Die Grandiose Komödie von der nicht ganz unverdienten vollkommenen Vernichtung der menschlichen Existenz, Episode III
Eine Kammerschlacht für 4 Erdlinge von Lukas Lippeck
Hochschule der Künste Bern / Schweiz
Das Ende der Welt ist nah. Devise: Arsch retten. Oder gibt es noch Hoffnung? Auf der Konferenz des Bösen erfährt es der Zuschauer live, exklusiv und in Farbe. Hier tagt alljährlich das düstere, furchteinflößende Triumvirat der Macht. Die Auswertung vergangener begangener Verbrechen und die Vorbereitung und Planung zukünftiger stehen ebenso auf der Tagesordnung wie einiges an exzessiver Feierei und Selbstbeweihräucherung. Doch dieses Jahr passiert etwas Außergewöhnliches: Ein Plan geht schief. Und zwar mächtig gewaltig. Das Triumvirat steht vor
der größten und schwersten Herausforderung seiner Laufbahn. Und von dieser hängt nicht weniger ab als die Zukunft des Planeten Erde. Na, darauf erstmal einen Dujardin!
Europa hat ein Problem. Unsere Lebensweise, unser Wohlstand, unsere Existenz sind nicht aus der Luft gegriffen. Sie haben ihren Preis. Und den haben nicht selten ganze Völker und Zivilisationen mit Schweiß, Tränen und einer Menge Blut bezahlt. Sind wir uns dessen bewusst? Sind wir bereit, Verantwortung für unser Leben zu übernehmen, geschweige denn uns dahingehend unangenehme, weil vielleicht genau richtige Fragen gefallen zu lassen?
„Die Grandiose Komödie von der nicht ganz unverdienten vollkommenen Vernichtung der menschlichen Existenz – Episode III“ will einen Blick hinter die Fassaden gängiger und geläufiger Antworten wagen. Aber noch viel wichtiger, sie will sich daraus einen anstandsgemäßen Spaß machen. Es ist ein verwegen schmaler Grat zwischen bitterböser Satire, konstruktiver Skepsis und nichts als kruder Verschwörungstheorie, der hier bestritten wird. Mal provokant und bissig, mal hintergründig und fundiert und manchmal einfach derbdreist und klamaukig, dabei immer auf der Suche nach einer besseren Welt oder einer Welt, wie sie sein sollte oder könnte oder müsste oder, ach, was wissen wir denn schon – in Koks und Nutten we trust!
Regie: Lukas Lippeck
Mit: Konstantin Rommelfangen, Julius Schröder, Sebastian Schulze, Seraphina Schweiger
Alice im Wunderland
Von Roland Schimmelpfennig nach Lewis Carroll
Theaterakademie Vorpommern / Deutschland
An einem langweiligen Sommernachmittag folgt die kleine Alice einem sonderbaren weißen Kaninchen in dessen Bau. Unversehens findet sie sich in einem Wunderland voller skurriler Geschöpfe wieder, die alle den verrücktesten Regeln folgen. Mit ihrem „Erwachsenenwissen“ aus der Schule beeindruckt sie die Grinsekatze, die Königin, die rauchende Raupe, Humpty Dumpty und den Hutmacher nicht. Sie muss einen anderen Weg finden, sich gegen die Bewohner des Wunderlandes zu behaupten.
Swentja Krumscheidt inszeniert mit dem dritten Studienjahr der Theaterakademie Vorpommern Lewis Carrolls Klassiker der Jugendliteratur. Die Bearbeitung von Roland Schimmelpfennig, einem der führenden deutschen Dramatiker unserer Zeit, lädt auch jeden Erwachsenen ein, in eine kindlich anarchische Parallelwelt abzutauchen.
Regie, Bühne und Kostüme: Swentja Krumscheidt
Komposition: Marie Thérèse Albrecht
Musikalische Einstudierung: Ricarda Matschke
Choreografische Beratung: Daniela Schulmeister
Mit: Larissa Sophia Farr, Klaudia Raabe, Miriam Ruchti, Hannah Ostermeier, Moritz Böhnke, Marc Robin Östreich, Paul Gräntzel, Stephen Nowacki, Rieke Clasen, Tom Büning, Severine Schabon
Ungehalten
Nach Christine Brückners Bestseller „Wenn du geredet hättest, Desdemona“
Kunstuniversität Graz / Österreich
Es sind vierzehn berühmte Frauen aus Geschichte und Literatur, die Christine Brückner in ihrem berühmten und sprachgewaltigen Buch zu Wort kommen lässt. Brückner spannt den Bogen durchaus weit, er reicht von Sappho bis Gudrun Ensslin, von Klytämnestra bis Effi Briest, von Katharina von Bora bis Eva Hitler. Mal zornig und aufsässig, mal wehmütig und zärtlich beleuchten die Frauen ihre jeweiligen Situationen und stellen ihre Perspektive den Männern entgegen. Für ihre Abschlussarbeit an der Kunstuniversität Graz hat sich Malin Kemper fünf Monologe ausgewählt und in Verbindung mit eigenen Texten auf die Bühne gebracht.
Regie: Malin Kemper
Ausstattung: Lena Weikhard
Mit: Malin Kemper, Paul Öllinger
Nur die Wurst hat zwei
Ein Spiel im Angesicht des Todes
Schauspielstudio Chemnitz / Deutschland
Letztlich sind wir alle endlich. Einerseits ist das ein tröstlicher Gedanke, aber andererseits fürchten wir uns vor dem Tod, vor diesem Ungewissen, das am Ende auf uns wartet. Oder wie Hamlet sagt: „Das Land, von dem kein Reisender je wiederkehrt.“ Sterben ist eines der letzten Tabus, die unsere Gesellschaft kennt, dennoch ist es ein Thema, das jeden von uns betrifft. Wie verändert sich das Leben im Angesicht des Todes? Kann man sich überhaupt auf so etwas Abstraktes wie den Tod vorbereiten? Und wenn ja: Lebst du denn das Leben in vollen Zügen? #Carpediem #Gruftie #Yolo?
„Nur die Wurst hat zwei“ ist ein dunkler humorvoller Abend, der dem Tod ins Gesicht schauen möchte. Entstanden und inspiriert aus persönlichem Anliegen der Spieler/innen, tastet er sich mit Liedern und Texten der internationalen Literatur an eines der größten Mysterien des Lebens heran.
Mentorin: Denise von Schön-Angerer
Mit: Lauretta van de Merwe, Andrea Zwicky, Jan Beller, Jannik Rodenwaldt
Die Unterrichtsstunde
Einakter von Eugène Ionesco
West-Universität Timișoara, Hochschule für Musik und Theater / Rumänien (In deutscher Sprache)
Ein Professor, ziemlich klein und etwas alt, empfängt in seinem Arbeitszimmer äußerst höflich eine kleine, brave Studentin, um ihr auf Wunsch ihrer Eltern Privatunterricht in allen Fakultäten zu erteilen. Sie ist die vierzigste heute. Der schüchterne Professor beginnt die Lektion mit Geografie, wechselt zu Arithmetik, zu Philologie und verirrt sich schließlich völlig in der Methodik. Anfangs korrekt und bieder, ist er nun aggressiv und unnachgiebig und damit in seinem Verhalten für die Studentin unberechenbar. Sie hält den Druck, den er immer mehr aufbaut, nicht aus und unterwirft sich ihm, so dass er auf ihr spielen kann wie auf einem Instrument. In einem Akt völliger Haltlosigkeit kommt es schließlich zu einem blutigen Mord. Davon ganz unbeeindruckt bleibt die Haushälterin Marie und räumt am Ende auf.
Der berühmte, in Rumänien geborene Autor Eugène Ionesco gilt als Meister des absurden Theaters. In der „Unterrichtsstunde“ suspendiert er sinnhafte Sprache zugunsten der Irrationalität eines autoritären Rausches. Nicht nur, dass der überlegene Professor seine Macht totalitär ausnutzt, nein, zugleich begegnen sich exemplarisch Mann und Frau wie in einem Vergewaltigungsakt, der am Ende keine Sieger kennt. – Die deutschen Schauspielstudierenden der Hochschule für Musik und Theater Timișoara in Rumänien stellen sich Stück und Autor und damit auch der Geschichte ihres Landes.
Regie und Ausstattung: Simona Vintilă
Mit: Gunther Blessing, Oana Nedelcu, Aida Olaru, Miruna Serdean, Ioana Urd
jetzt erst brecht
Szenen aus Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“
Anton Bruckner Privatuniversität Linz / Österreich
Drei Abgesandte des Himmels haben den Auftrag zu ermitteln, ob es auf dieser Welt noch gute Menschen gibt. Ziemlich frustriert von der langen, vergeblichen Suche, stoßen sie schließlich auf die Prostituierte Shen Te, die das Bemühen, gut zu sein, zumindest noch nicht völlig aufgegeben hat. Die Götter belohnen sie mit 1000 Silberdollars und Shen Te kauft sich einen kleinen Laden. Aber ihr Bestreben, jedem, der sie darum bittet, etwas abzugeben, bringt sie schnell in die
Bredouille. Nur verkleidet in der Rolle des knallharten und umso geschäftstüchtigeren Shui Ta kann sie ihr Kapital erhalten. – Der zweite Jahrgang der Schauspielabteilung der Bruckner-Uni Linz spielt Szenen aus Brechts ebenso scharfsinnigem wie vergnüglichem Parabelstück.
Leitung: Stefan Karthaus
Live- Musik: Tomà Iwanov
Mit: Isabella Campestrini, Florian Granzner,Jakob Hofbauer, Michaela Lehnhart, Dorothea Röger, Anna Wagner, Vinzenz Wegmüller
Und in den Nächten liegen wir stumm
Schwarze Poesie von Thomas Freyer
Schauspielstudio Chemnitz / Deutschland
Blind vor Arbeit oder Egoismus, überlastet von unverarbeiteten Trennungen oder fliehend ins Heil einer Religion, lassen die Eltern ihre fast erwachsenen Kinder im Stich. Für diese kein Ort nirgends, kein Halt. – Thomas Freyers Stück setzt hier ein: mit dem Kampf der Nachgeborenen ins Leben. Bis zum Verbrennen geben sie alles, um sich zu fühlen, um wahrgenommen zu werden, zu lieben oder den selbst gesetzten Erwartungen zu entsprechen. Die eine lässt sich vom ganzen Neubaublock vögeln, der zweite spielt Fight Club nach, bis er sich in einen Wolf verwandelt, die dritte flieht in surreale Traumwelten und der vierte versucht, den Laden irgendwie am Laufen zu halten. Freyers Stück fordert vier starke junge Spieler, die seine archaisch-soghafte Sprache in schmerzliche Sehnsuchtsbilder verwandeln.
Regie: René Schmidt
Bühne: Carla Satoca Berges
Kostüme: Francesca Ercoli
Musik: Steffan Claußner
Mit: Lauretta van de Merwe, Andrea Zwicky, Jan Beller, Jannik Rodenwaldt