Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Ein Bericht für eine Akademie" nach der Erzählung von Franz Kafka - Schauspiel Essen"Ein Bericht für eine Akademie" nach der Erzählung von Franz Kafka -..."Ein Bericht für eine...

"Ein Bericht für eine Akademie" nach der Erzählung von Franz Kafka - Schauspiel Essen

Premiere am 27. August 2022, 19:30, Casa · Grillo-Theater

Gewaltsam von Westafrika nach Europa entführt, sucht der Affe Rotpeter seinen Ausweg in der radikalen Assimilation: Er trainiert den menschlichen Handschlag, lernt, Pfeife zu rauchen, überwindet mit größter Anstrengung seinen Widerwillen gegen Schnaps und erarbeitet sich einen komplexen Wortschatz.

Copyright: Philipp Noack

Stück für Stück vollführt Rotpeter so eine vermeintliche Menschwerdung, die ihn letztlich dazu veranlasst, sich selbst den Intellekt eines durchschnittlichen Europäers zu attestieren. Unter Verdrängung seiner Herkunft wie Vergangenheit gelangt er zu materiellem Wohlstand und Anerkennung, als Menschenimitator und Varietékünstler ist er nicht zuletzt gern gesehener Gast auf wissenschaftlichen Kongressen wie privaten Festen.

Kafkas Werk gehört zum Kanon der Weltliteratur. Seine Erzählung „Ein Bericht für eine Akademie“ zählt zu den wenigen Arbeiten, die schon zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wurden. 1917 erschien sie erstmals in der Zeitschrift „Der Jude“ – ein zeitgeschichtlicher Bezug, der die Basis zahlreicher Interpretationsansätze liefert.

Regisseur Zafer Tursun nähert sich Kafkas nachdenklich stimmendem Text aus heutiger Sicht: Seit mehr als 20 Jahren geistert die Idee einer Leitkultur durch die politischen Debatten und noch immer ist gänzlich unklar, was mit ihr gemeint sein soll – ist Deutschland doch zum Glück viel zu heterogen, um das Bild einer einheitlichen Gesellschaft zu zeichnen. Die populäre Forderung an hier Ankommende, sich an Gebräuche der sogenannten Mehrheitsgesellschaft anzupassen, ist dennoch bis heute nicht verstummt. Unter aktuellen Gesichtspunkten beleuchtet Zafer Tursun in seinem Essener Regiedebüt die vielfältigen Aspekte von Rotpeters erzwungener Anpassung und seiner damit einhergehenden Identitätskonstruktion.

Zafer Tursun, 1991 in Köln geboren, studierte Germanistik und Soziologie in Mannheim und Köln. Nach einigen Erfahrungen als Journalist in unterschiedlichen Zeitungsredaktionen zog es ihn letztlich ans Theater. Von 2017 an war er an verschiedenen Häusern in Köln, Essen sowie bei den Nibelungenfestspielen Worms in der Dramaturgie und vor allem in der Regie tätig. Im Februar 2020 gab er mit „Ein Hungerkünstler“ nach Kafka sein Regiedebüt in der Freien Szene Kölns. Seit der Spielzeit 2020/2021 ist er als Regieassistent am Schauspiel Essen engagiert, wo er im Oktober 2020 mit Mitgliedern des Ensembles sowie Studierenden der Folkwang Universität der Künste die Performance „Alphabet der rassistischen Polizeigewalt“ und im April 2022 in der Reihe „Freischuss“ den Abend „Draußen vor den Türen“, einen Diskurs über Flucht, (Nicht-) Ankommen und politische Doppelmoral, realisierte.

Bühnenfassung von Zafer Tursun

Inszenierung
Zafer Tursun
Bühne und Kostüme
Marlene Lücker

Besetzung
Dennis Bodenbinder, Shehab Fatoum, Rezo Tschchikwischwili

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 13 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

DIE HIMMLISCHEN FREUDEN -- Teodor Currentzis und das Utopia Orchestra mit Brahms und Mahler im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle

Aktuell gastiert das von Teodor Currentzis gegründete Utopia Orchestra mit dem zweiten Klavierkonzert op. 19 von Johannes Brahms und der vierten Sinfonie in G-Dur von Gustav Mahler. So waren die…

Von: ALEXANDER WALTHER

ELEMENTARE AUSBRÜCHE -- Richard Wagners "Parsifal" in der Staatsoper STUTTGART

In der zerklüfteten Inszenierung von Calixto Bieito (Bühne: Susanne Geschwender; Kostüme: Merce Paloma) liegt die Apokalypse schon hinter uns, die Brücken sind eingestürzt, die Menschen kämpfen…

Von: ALEXANDER WALTHER

LEIDENSCHAFTLICHE STEIGERUNGEN -- SWR Symphonieorchester mit Jukka-Pekka Saraste im Beethovensaal der Liederhalle STUTTGART

Zwei höchst unterschiedliche Werke standen im Mittelpunkt dieses Konzerts mit dem SWR Symphonieorchester unter der inspirierenden Leitung des finnischen Dirigenten Jukka-Pekka Saraste. Zunächst…

Von: ALEXANDER WALTHER

FASZINIERENDE MINIATUREN -- Internationale Hugo-Wolf-Akademie: Lied & Melodie" in der Staatsgalerie Stuttgart

Liederabend mit Stephane Degout (Bariton) und Cedric Tiberghien (Klavier). Hier wurden vier unterschiedliche Komponisten klanglich miteinander verbunden, deren Ausdruckstiefe immer wieder…

Von: ALEXANDER WALTHER

PLÖTZLICH GIBT ES ZWEI KOBOLDE -- "Meister Eder und sein Pumuckl" mit der Jungen Württembergischen Landesbühne Esslingen in der Kelter Bietigheim

"Niemand muss an Kobolde glauben". Davon ist Meister Eder überzeugt. Julian Häuser und Philip Spreen schlüpfen virtuos in unterschiedliche Rollen. In der Bühnenfassung und Regie von Jan Müller (Bühne…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑
StartseiteBeiträgeKritikenHintergründeTheatermacherServiceFachbegriffeSuche