Die Technik ist unzuverlässig, die Diva weigert sich, nackt aufzutreten, der Etat für die Requisiten wird zusammengestrichen, die Schauspieler meutern. Auszubaden hat den Wahnsinn in diesem Welttheater der Regieassistent Goldberg, der sich immer wieder bewähren und behaupten muss. Mr. Jay und Goldberg bilden ein Duo, das eine Allegorie auf das Verhältnis Gottes zu seinem auserwählten Volk darstellt. Ihre Beziehung ist von Hassliebe, Abhängigkeit und Willkür geprägt. Und am Ende heißt es: Vorhang auf!
Die 1725 entstandenen Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach beziehen sich auf unterschiedliche musikalische Organisationsmuster und konzertante Formen. Tabori bringt in seinen Goldberg-Variationen verschiedenste kulturelle Anspielungsbereiche programmatisch in Verbindung und erschafft dadurch eine Szenenfolge, die Bachs Komposition an Variabilität noch überbietet. Die 1991 für die Uraufführung am Burgtheater von Tabori selbst inszenierte Farce verbindet in seltener Einheit alle Stationen seines Lebensweges: ungarische Nonchalance, britischer Humor, amerikanische Leichtfüßigkeit, jüdische Chuzpe, mitteleuropäischer Tiefsinn und Wiener Schmäh.
DER AUTOR
Im Katastrophenjahr 1914 in Budapest geboren, lebte George Tabori im Laufe seines Lebens in 17 Ländern. Dass er Jude war, erfuhr der als Katholik erzogene György im Alter von sieben Jahren. Sein Vater und weitere Angehörige seiner Familie wurden in Auschwitz ermordet. Seine Mutter Elsa entkam dem Transport nach Auschwitz durch einen bizarren Zufall. Ihre Geschichte erzählte Tabori später in dem Stück Mutters Courage. Mit 18 Jahren kam Tabori nach Deutschland, um im Berliner Hotel Adlon eine Lehre als Lobby Boy zu machen. 1936 emigrierte er nach London, wo er für die BBC und später für den Geheimdienst der britischen Armee im Nahen Osten arbeitete.
1945 wurde Tabori britischer Staatsbürger. Zwei Jahre darauf ging er nach Hollywood, wo er unter anderem für Alfred Hitchcock schrieb. Während der McCarthy-Ära machte er sich „unamerikanischer Aktivitäten“ verdächtig und kam 1952 auf die schwarze Liste. Prägend für sein weiteres Leben war seine Begegnung mit Bertolt Brecht, den er 1947 in Hollywood kennenlernte und dessen Stücke er übersetzte. 1968 kam Tabori erstmals wieder nach Deutschland, da er anlässlich Brechts 70. Geburtstag von Helene Weigel zu einem einwöchigen Kolloquium eingeladen worden war. Freunde in New York warnten ihn vor einer Rückkehr und auch er hegte große Befürchtungen. Vorsorglich ließ er sich bei der Premiere ein Fluchtauto vor dem Theater bereitstellen, um möglichen Übergriffen bei einem Theaterskandal entkommen zu können. Schließlich übersiedelte er 1971 ganz nach Deutschland. 1975 gründete er das „Bremer Theaterlabor“ und leitete es bis 1978. Da der Bremer Kultursenator keine „Seelenkotze“ mehr sehen wollte und die Darsteller sich ihrer künstlerischen Freiheit beraubt sahen, wurden die Verträge fast aller Beschäftigten nicht mehr verlängert, darunter auch Andrea Breth und der Choreograf Johann Kresnik. Tabori zog nach München, wo er mit seiner Truppe theaterhistorisch relevante Inszenierungen von Becketts Warten auf Godot und Euripides Medea (unter dem Titel „M“) vorlegte. Von 1987 bis 1990 leitete er in Wien das Theater „Der Kreis“, das seiner Maxime, lieber „in Katakomben als in Kathedralen“ zu arbeiten, weitestgehend entsprach.
Später wechselte er an das von Claus Peymann geleitete Burgtheater, wo er den eigentlichen Höhepunkt seiner Karriere erlebte. Berühmt wurden unter anderem seine Inszenierung von Shakespeares Othello mit Gert Voss (Othello) und Ignaz Kirchner (Jago) und seine eigenen Stücke Mein Kampf, Die Goldberg-Variationen, Requiem für einen Spion, Weisman und Rotgesicht und Die Ballade vom Wiener Schnitzel, die in der Regie des Autors am Akademietheater uraufgeführt wurden und in satirischer Form Taboris jüdische Herkunft reflektieren. Ab 1999 arbeitete Tabori am Berliner Ensemble. Oft bedauerte er seinen Weggang aus Österreich, das er wegen der Liebe des Publikums und der Nähe zu Ungarn vermisste. Im Oktober 2006 wurde er mit dem „Großen Goldenen Ehrenzeichen mit Stern“ durch Bundespräsident Heinz Fischer ausgezeichnet. Tabori´starb am 23. Juli 2007 in Berlin.
Deutsch von Ursula Grützmacher-Tabori
Marc Becker
BÜHNE Peter Engel
KOSTÜME Sandra Münchow
MUSIK Nebojša Krulanović
DRAMATURGIE Matthias Döpke
MR. JAY DER REGISSEUR Klaus Köhler
GOLDBERG SEIN ASSISTENT Manuel Klein
MRS. MOPP PUTZFRAU /
TERESE TORMENTINA SUPERSTAR /
ERNESTINA VAN VEEN /
DAS GOLDENE KALB Jenny Weichert
JAPHET Björn Büchner
MASCH Christian Manuel Oliveira
RAAMAH Georg Bonn
Weitere Termine 6., 13., 14., 16., 20. Mai, 3., 6., 16., 18. Juni, 2., 3. Juli, jeweils 19.30 Uhr