Büchner lenkt den Blick auf ein strukturelles Moment und zeigt, wie Unterdrückung ihrerseits Gewalt hervorbringt. Doch der Fokus auf Woyzecks Schicksal verstellt: Büchners Stück ließe sich auch in dem Sinn erzählen, dass es die patriarchale Gewalt in Geschlechterverhältnissen fortschreibt. Alle drei Tage stirbt heutzutage in Deutschland eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner.
Das ist der Punkt, an dem die Dramatikerin Mahin Sadri und der Regisseur Amir Reza Koohestani mit ihrer Weitererzählung ansetzen. Sie beginnt mit einer Unterbrechung. Ein Schauspielerpaar – er Woyzeck, sie Marie – sitzt zuhause fest, die weiteren Proben zu Büchners Woyzeck sind auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Ihre unterschiedlichen Haltungen zu den Figuren entwickeln sich zum Konflikt im Privaten. Der Stau der Aggressionen wächst in der Enge der gemeinsamen Hochhauswohnung, bis es zum Ausbruch kommt. Ist es möglich, den Teufelskreis von Unterdrückung und Gewalt zu unterbrechen?
Mit Woyzeck Interrupted haben die Dramatikern Mahin Sadri und der Regisseur Amir Reza Koohestani Georg Büchners Stück aktualisiert und aus neuer Perspektive betrachtet: In ihrer Fassung geht es nicht mehr um den 'Opfer-Täter' Woyzeck, sondern der Blick wird gerichtet auf die Fortschreibung patriarchaler Gewalt in Geschlechterverhältnissen. Alle drei Tage stirbt heutzutage in Deutschland eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner. Das Thema Femizid ist der Punkt, an dem die Weitererzählung ansetzt, die Amir Reza Koohestani in seiner zweiten Arbeit für das Deutsche Theater in den Kammerspielen inszeniert. Es spielen Lorena Handschin und Enno Trebs.
in einer Übersetzung von Sima Djabar Zadegan
Regie Amir Reza Koohestani
Bühne Mitra Nadjmabadi
Kostüme Lea Søvsø
Video Phillip Hohenwarter, Benjamin Krieg
Musik Matthias Peyker
Dramaturgie Sima Djabar Zadegan, John von Düffel
Premiere verschoben auf 2021